Arbeit und Berufe im Westerwald

Diese wunderbare Aufnahme aus dem Jahr 1937 zeigt eine Familie aus der Renneroder Gegend bei der Heuernte. (Beitrag vom 4. November 2021)

Über viele Jahrhunderte ist der Westerwald und seine Ortschaften von der Landwirtschaft, den Handwerksberufen und vom Bergbau geprägt. Sie verschaffen den meisten ein bescheidenes Auskommen. Ab dem 19. Jahrhundert lassen sich auch einige Industriebetriebe, wie beispielsweise die Papierfabrik Hedwigsthal, in der hiesigen Gegend nieder. Die Arbeit reicht aber für die stark ansteigende Bevölkerungszahl nicht mehr aus, sodas viele Landbewohner mit der aufkommenden Industrialisierung ins Ruhrgebiet ziehen, dem damaligen Zentrum der Schwerindustrie. Die verwandschaftlichen Verbindungen meiner Familie nach Bochum oder Essen zeugen davon.

Vermutlich aus den 1930er Jahren stammt diese Fliegeraufnahme, die das Gelände der Eisenerzgrube „Reichensteinerberg“ zeigt. Aber auch andere Gesteine wurden hier gefördert und in einem Röstofen weiterverarbeitet. Am 6. August 1936 wurde die Anlage stillgelegt.

Ich persönlich habe von der landwirtschaftlichen Tätigkeit der Familie meiner Großmutter und den Schmiedekünsten meines Großvaters und seiner Vorfahren nur noch wenig mitbekommen. Mein Opa hatte bereits 1968 seine selbstständige Arbeit als Schmied und Schlosser beendet. An seine kleine Werkstatt in ihrem Wohnhaus in der Gartenstraße erinnere ich mich aber sehr wohl. Zudem stammten diverse Heizungsverkleidungen, Geländer, ja sogar Kerzenleuchter, die im Haus überall zu finden waren, aus seiner Hand.

Von den Arbeiten auf dem „Sannersch“ Hof entsinne ich mich der Kartoffelernten im Herbst, an der die ganze Familie teilnahm und dem Bruder meiner Großmutter zur Hand ging.

Forst- und Landwirtschaft

Ein Blick auf den Dreiseitenhof der Familie Haberscheidt an der Daufenbacher Straße. Die Aufnahme entstand in den 1920er Jahren, vor dem Bau des neuen Wohnhauses, das 1931 errichtet wurde.
Hier sind die Dorfbewohner Puderbachs in den 1920er Jahren beim Flachsbrechen zu sehen. Der innere Holzkern des Flachses, auch Saat-Lein oder gemeiner Lein genannt, wird mit der sogenannten Breche zerkleinert und später mit dem Durchziehen der Fasern durch die Hechel entfernt. Ganz vorne rechts steht der Viehhändler Tobias Tobias und rechts neben ihm seine Tochter Betti. Erkennt jemand weitere Personen auf dem Bild?
Dies ist zwar keine Aufnahme, die in Puderbach entstanden ist, sie stammt aber aus dem Westerwälder Umkreis und zeigt den zweiten Schritt der Flachsverarbeitung, das sogenannte Flachsschwingen. Die Schwinge bestand aus einem aufrecht stehenden Brett mit einem Fuß. Die bereits gebrochenen Flachshalme wurden über die Oberkante gelegt und solange mit dem Schwingholz geschlagen, bis sämtliche Reste des holzigen Kerns entfernt waren.
Eine wunderschöne Fotografie des Ehepaares Wilhelm und Henriette Bachenberg, im Dorf als die „Scholzen“ bekannt, beim Pflügen eines Feldstücks um das Jahr 1930. In der Mitte steht der Milchfahrer Emil Herzog, der den beiden anscheinend zur Hand geht. Und wer sind die Kinder, die sich auf Pferd und Pflug postiert haben? Im Hintergrund erkennt man die Talaue mit der Landstraße in Richtung Raubach.
Eine Aufnahme, die vor 1914 entstanden sein könnte und Waldarbeiter beim Verladen von bereits entrindeten Baumstämmen zeigt. Wo mag sich dieser Verladeplatz direkt an den Bahngleisen befunden haben? Ganz links auf der Rampe sehen wir den aus dem „Konrädches“ Haus an der Steimeler Straße stammenden Hermann Runkler. Erkennt jemand einen der anderen Arbeiter bzw. deren Aufseher? Über Ihre Mithilfe würde ich mich sehr freuen! (Beitrag vom 22.01.2024)
„Beim Losholz machen im hohen Tal am 24. November 1929“. So steht es auf dieser Fotografie, die meinen Urgroßvater und seine Nachbarn zeigt. Von links nach rechts sind zu sehen: der Landwirt Christian Brauer (Hoochs) von der Daufenbacher Straße, der Küfer und Stellmacher Albert Schneider (Annekerts) von der Urbacher Straße, mein Urgroßvater Heinrich Deneu (Sannersch), der Bauer Willi bzw. Wilhelm Schmidt (Fonks), der ledig gebliebene Fritz Schüler, dessen Hof sich linkerhand des Gasthof Kasche befand und der junge Paul Velten (Schurrmes), ebenfalls von der Urbacher Straße. Das „Losholz“ bezeichnet eine ausgeloste Waldfläche, auf der die Dorfbewohner eine bestimmte Menge an Brennholz schlagen durften.
Als ich die Aufnahme das erste Mal in den Händen hielt, rätselte ich lange, was wohl auf dem Pappschild geschrieben steht. Erst nach einigen Versuchen meinte ich das Wort „Kraft“ zu lesen, gefolgt von dem Wort „durch“. Die Waldarbeiter hatten hier den Spruch der nationalsozialistischen Massenorganisation „Kraft durch Freude“ aufgegriffen und auf ihre Alltagsituation umgemünzt. Die Männer aus Puderbach, die vermutlich gerade dabei waren, das Losholz zu schlagen, gönnten sich eine kleine Ruhepause bei einem Gläschen Bier, um danach gestärkt die Arbeit fortzusetzen.
Die mir bekannten Personen sind ganz links Philipp Born (Muschender), der Schildträger links Fritz Velten (Schoophilps) und ganz rechts Emil Seitz von der Schulstraße, alle drei gebürtig aus dem Puderbacher Mühlendorf. Daher geht meine Vermutung, daß auch die übrigen Waldarbeiter von dort stammen. Doch wer waren sie? Erkennen Sie, liebe Leserinnen und Leser weitere Personen auf dem Bild? Über Ihre Mithilfe würde ich mich sehr freuen! (Beitrag vom 22.01.2024)
Auch in der Forstwirtschaft fanden die Dorfbewohner Puderbachs und der umliegenden Ortschaften ein Auskommen. Auf dieser Fotografie, die Mitte/Ende der 1920er Jahre entstanden sein dürfte, sehen wir den Landwirt Philipp Born und den Gastwirtssohn Rudolf Weber auf einem Waldstück mit frisch geschlagenen Kiefern stehen. Die Baumstämme sind bereits vom Geäst befreit und die beiden machen sich daran, mit Schäler und Axt die Rinde zu entfernen. (Beitrag vom 20.07.2022)
Wann mag dieser 35. forstwirtschaftliche Lehrgang, an dem der „Muschender“ Philipp (1. Reihe sitzend, 2. von rechts) teilgenommen hat, wohl stattgefunden haben? Ich vermute, daß wir uns zu Beginn der 1930 Jahre im Westerwälder Umkreis befinden. Die 34 Teilnehmer präsentieren sich dem Fotografen in ihrer einfachen Arbeitskleidung. In ihre Mitte haben sie den Förster genommen, der die Schulung durchgeführt hat. An meine geschätzten Leserinnen und Leser geht die Frage, ob Sie weitere Personen auf der Fotografie wiedererkennen. (Beitrag vom 22.01.2024)
Das Ehepaar Alfred und Lina Schuh beim Holz sägen auf ihrem Hof im Reichensteiner Weg um 1938.
Ein Bild aus alten Zeiten, als die Dorfbewohner ihre Feldfrüchte noch ohne Erntemaschinen einbrachten. Zu sehen ist der aus Puderbach stammende Kraftfahrer Alfred Spies, der gerade mit einer frisch gedengelten Sense das reife Getreide schneidet. Seine Tante, die in Linkenbach geborene Luise Kaul, bindet die geerntenden Halme zu Garben zusammen. Das Feldstück auf dem sie sich befinden, dürfte im Mühlendorf gelegen haben, auf halben Weg nach Niederdreis. Im Hintergrund meine ich nämlich eines der letzten Häuser an der Steimeler Straße zu erkennen. Die Fotografie selbst dürfte in den 1930er Jahren entstanden sein. (Beitrag vom 20.07.2022)
Den nächsten Schritt des Einbringens der Getreideernte zeigt diese Foto, das wie das Obige aus dem Nachlass der Familie Spies stammt und die beiden Brüder Wilhelm und Alfred Spies zeigt, wie sie die gebundenen Garben auf einen bereitstehenden Erntewagen laden. (Beitrag vom 30.10.2023)
Auf dieser Aufnahme sehen wir wieder Luise Kaul, die bereits oben auf der Fotografie der Getreideernte zu sehen war. Diesmal hilft sie ihrem in Linkenbach lebenden Bruder Christian Kaul bei der Feldarbeit. Um die Mittagszeit gönnen sich alle eine Pause und genießen die Speisen und Getränke, die vermutlich der kleine Stepke den fleißigen Helfern aufs Feld gebracht hat. (Beitrag vom 20.07.2022)
„Lotte und Erna auf dem Hahn in Steimel“. So ist diese Fotografie, die aus den 1930er Jahren stammen dürfte, auf der Bildrückseite beschriftet. Bei den beiden „Damen“ handelt es sich um zwei prächtige Kühe, die hier dem Bauern als Zugtiere seiner Mähmaschine dienen. Besonders schön gestaltet sind die ledernen Stirnjoche, die an den Hörnern der Tiere befestigt wurden. Die herabhängenden Fransen sollten vor lästigen Fliegen schützen.
Der früher landwirtschaftlich genutzte Flurbereich „Am Hahn“ wurde in den 1970er Jahren zum Baugebiet erklärt, da die Einwohnerzahl in Steimel stetig zunahm.
(Beitrag vom 3.07.2022)
Bis in unsere Tage hat sich dieses prächtige Stirnjoch erhalten. Das Leder ist zum Teil geprägt und mit schmückenden Messingbeschlägen versehen. (Beitrag vom 17.01.2023)
Das „Muschender Paulinchen“ beim Wiese mähen mit der Sense um 1940. Im Hintergrund sieht man das noch eingeschoßige Wohnhaus der Familie Born an der Ecke Reichensteiner Weg und Ringstraße. (Beitrag vom 5.07.2022)
Ein Schnappschuß, der um das Jahr 1950 entstanden sein dürfte und die Gastwirtsfamilie Weber bei der Feldarbeit zeigt. Der Vater Alfred hat gerade beim Pflügen seines Ackers innegehalten, hat seine Frau Irmgard, seine Tochter Luise und den jüngsten Sprössling Axel um sich gescharrt. (Beitrag vom 5.07.2022)
Die „Heydorschs“ um 1955 bei der Kartoffelernte. Vermutlich war bereits der sogennante Roder über das Feld gefahren und hatte die „Toffelen“ aus der Erde geholt. Doch trotz der Hilfe der Erntemaschine mußten die fleißigen Helfer nochmals mit der Karst durch den Acker gehen, um wirklich alle Knollen einzusammeln. Von links nach rechts sehen wir Richard Weber, Erna Mayer, Luise Weber verh. Müller u. Alfred Weber. (Beitrag vom 6.07.2022)
Bei dieser Karroffellegemaschine dürfte es sich um die sogenannte Rau Kombi handeln. Kombi daher, da zwei Personen gleichzeitig Platz auf dem Gerät fanden. Die beiden Helfer nahmen die vorgekeimten Knollen aus der vor ihr platzierten Holzkiste und legten sie auf einem Drehteller ab, der die Kartoffeln eine nach der anderen in die frisch gezogene Furche ablegte. Entstanden sein dürfte die Aufnahme Ende der 1950er Jahre und zeigt die Familie Weber, rechts in die Kamera blickend Luise Weber verh. Müller, links neben ihr Richard Weber und auf dem Traktor Alfred Weber. (Beitrag vom 6.07.2022)
Stolz sitzen hier die Enkelkinder der „Mahlerts“ von der Steimeler Straße auf dem neuen Traktor der Marke Eicher ED 16, der seit 1952 von der gleichnamigen bayrischen Traktorenfabrik produziert wurde. Hinterm Steuer sitzt Jürgen Möhrke und links neben ihm hat seine Schwester Brigitte Platz genommen. Die Aufnahme entstand im Jahr 1955. (Beitrag vom 6.07.2022)
Bei dem Traktor der Familie Krantz handelt es sich um die Marke Normag C 10, der zwischen 1952 und 1954 von der Nordhäuser Maschinenbau GmbH produziert wurde. Für den Schnappschuß hat sich Joachim, der Sohn vom „Muschender Milchen“, mit der Landmaschine ablichten lassen. (Beitrag vom 6.07.2022)
Der Schäfer Hermann
Diese Aufnahme, die um 1930 entstanden sein wird und von dem berühmten Kölner Fotografen August Sander stammt, zeigt den „Schäfer Hermann“. Sein richtiger Name war Hermann Scheep und er wurde am 14. Dezember 1857 in Hanroth geboren. Viele Jahrzehnte lang hütete er die Schafe der Bauern in und um Puderbach. 1934 verstarb er dann mit 76 Jahren an Altersschwäche. Hier sieht man ihn am Ortsausgang Richtung Daufenbach mit seinem Hütehund und der Schafherde. Ganz links erkennt man die baumbestandene Daufenbacher Straße.
Möglicherweise ist dies der Nachfolger von Hermann Scheep. Doch kennt jemand seinen Namen? Über Ihre Mithilfe würde ich mich sehr freuen!
Heu wenden am „Mooracker“

Am sogenannten „Mooracker“, ein Flurstück in der Nähe der Hölzjes Mühle, besitzen die „Sannersch“ drei Wiesen, auf denen das Grün für die Heuernte wächst. Nach dem Schnitt muß das frischgemähte Gras zum Trocknen gewendet werden, eine Aufgabe, die oftmals den Frauen des Hofs überlassen wird. Auch meine Urgroßmutter Kalin macht sich zum „Wennen“ über Holzbach und Bahngleise auf den Weg zu dem Grundstück. Aus Sorge, daß sie wegen des schlechten Gehörs beim Überqueren der Gleise einen heranfahrenden Zug nicht wahrnehmen würde, wird sie in der Abenddämmerung von einem Familienmitglied abgeholt.

Diese Fotografie mit dem beeindruckenden Ochsengespann der „Sannersch“ wurde nach Einbringen der Getreideernte um das Jahr 1925 aufgenommen. Oben links auf dem voll beladenen Wagen meine Großmutter Laura Deneu verh. Kuhl, vor ihr Magret Bay verh. Willbold, daneben Käthe Bexbach (?) aus dem Saarland. Die Kinder vor dem Gefährt waren Stadtkinder, deren Eltern im Gasthof „Kasche“ logierten.
Der Bauernhof der Sanners bzw. Deneus in den 1930er Jahren in einer Rückansicht. Neben der Küche befand sich die sogenannte „Foolerkisch“, die Futterküche, wo das Viehfutter vorbereitet wurde. Die Familie verfügte zudem über einen „Backes“, ein Backhaus zum Backen des Brotes. Auch eine eigene Dreschmaschine war vorhanden.
Um 1953 entsteht dieser Schnappschuß mit den Zugochsen der Familie Deneu. In der Mitte steht mein Vater Hans Kuhl und rechts daneben sein Cousin Manfred Deneu.
„Die Heuernte war die einzige Abwechslung, sonst herrscht hier himmlische Ruhe.“ So schreibt eine Frankfurterin im Juli 1957 an ihre Tochter von ihrem Kuraufenthalt im Westerwald. Für einen Außenstehenden mochte die Arbeit der Bauern malerisch erscheinen. Doch gerade die Sommermonate bereiteten den Landwirten und ihren Familien Tage voller Mühsal und Plackerei. Hier wird die Heuernte noch ohne Traktoren mit zwei Viehgespannen eingebracht. (Beitrag vom 21.07.2022)
Bei dieser Karte, die in den 1950er Jahren als Erinnerung an einen Aufenthalt im Westerwald verschickt wurde, werde ich wehmütig. Solche mit Fichten und Tannen bestandene Wälder, die so typisch für unsere Gegend waren, wird es in Zukunft nicht mehr geben.
Schon in den 80er Jahren fürchtete man auf Grund des sauren Regens um den Fortbestand der Forste. Doch seit der Klimaerwärmung, die uns seit 2018 immer trockenere Jahre beschert, ist das Waldsterben angekommen. Gerade den Kiefern setzt die Trockenheit immens zu. Heute findet man solche lauschigen Waldpfade kaum noch. (Beitrag vom 21.07.2022)
Unfall beim Kartoffel stecken

Vermutlich in den 1940er Jahren ereignet sich ein Unglücksfall beim Kartoffel stecken auf dem Flurstück „Im Weidchen“. Wahrscheinlich führt mein Urgroßvater Heinrich Deneu den Pflug und meine Urgroßmutter Kalin und meine Oma stecken die vorgekeimten Kartoffeln in die Furche. Plötzlich reißen sich die Ochsen los und steuern auf das „Sannersch Kalin“ zu, die die Warnrufe der Anwesenden wegen ihres schlechten Gehörs nicht wahrnimmt. Sie kann den Tieren nicht mehr ausweichen und wird schwer an Fuß und Kopf verletzt.

Welch ein prächtiges Ochsengespann die „Sannersch“ hatten! Hier wird ein Feldstück am Ortsausgang Richtung Daufenbach geeggt. Wer die Rinder führt, ist leider nicht bekannt. Möglicherweise ist es der französische Zwangsarbeiter Max, der in den Kriegsjahren meinen Urgroßeltern als Arbeiter zugeteilt wurde.
Heuernte in Breitscheid
Laut dem Enkel von Willi und Lina Sommer, die beiden sind hier rechts neben dem prächtigen Kuhgespann zu sehen, fand diese Heuernte in Breitscheid um das Jahr 1960 statt und das Flurstück, wo sich die Wiese der Familie befand, hat noch immer den wunderschönen Namen „Längst die Hohl“. Oben auf dem Wagen lugt Günther Gräbel hervor, der Schwiegersohn der Sommers, der gebürtig aus Schlesien stammt. 1946 wurde er, seine Familie und alle bis dahin in der Region verbliebenen Deutschen zwangsausgesiedelt. Der Neuanfang war für die Gräbels schwer. Hab und Gut hatte man zurücklassen müssen und willkommen waren die „Fremden“ auch im Westerwald nicht. (Beitrag vom 1. November 2021)
Hier eine zweite Aufnahme der Heuernte um 1960. Vor den Zugtieren sehen wir Doris Gräbel, die Tochter von Willi Sommer, rechts neben ihr steht die Mutter Lina Sommer eine geborene Wolf, vor ihrer Hochzeit jedem Breitscheider als „Juls Lina“ bekannt. (Beitrag vom 1. November 2021)

Bergbau

Ein jeder von uns hat den Förderturm der Grube Georg vor Augen, wenn er an Bergbau im Westerwald denkt. Doch es existierte nicht nur das Bergwerk bei Willroth, sondern eine Vielzahl an kleinen und größeren Zechen durchzog unseren Landstrich. Um 1929 schufteten rund 170 Bergleute in den bei Reichenstein gelegenen Stollen. Die Grube mit dem Namen „Reichensteiner Berg“ förderte neben Eisenerz auch andere Gesteine, wie Spateneisenstein, Bleierze, Kupferkies und Zinkblende.

Die schwere und mühselige Arbeit unter Tage steht den Männern regelrecht ins Gesicht geschrieben. Eine Aufnahme, die um das Jahr 1928 entstanden ist, zeigt die Grubenarbeiter vor dem sogenannten Stollenmundloch der „Räister Gruv“. Viele dieser Männer werden das Rentenalter nicht erreichen und an den Folgen von Lungenerkrankungen sterben.
Dank der Hilfe von Herrn Löhr konnten wir einige der Grubenarbeiter aus Werlenbach namentlich zuordnen. Durchnummeriert sehen Sie 1 Otto Löhr, der frühere Ortsbürgermeister von Dürrholz, 2 Wilhelm Haag (Langs), 3 Philipp Kraus (Kammersch), 4 Paul Feckler (Eulenbachs) und 5 Hermann Born (Schuttniks). Falls Sie weitere Kumpels erkennen, würde ich mich über Ihre Mithilfe freuen!

Die Eisenerzgrube Reichenstein und seine Geschichte

Für meinen historischen Rückblick greife ich auf eine Abhandlung des aus Raubach stammenden Heimatkundlers Ernst Zeiler zurück, der alte Akten und Unterlagen des Landesamts für Geologie und Bergbau in Koblenz studierte und auswertete.


Man geht davon aus, daß bereits im 18. Jahrhundert in der Reichensteiner Grube das zu 50 % aus Eisenerz bestehende Mineral Siderit, auch Spateisenstein oder Stahlstein genannt, gefördert wurde. Zur Weiterverarbeitung und eigentlichen Erzgewinnung brachte man das Gestein in die nahegelegene Raubacher Eisenhütte. Das Bergwerk gehörte durch Erblehen den Grafen bzw. Fürsten zu Wied.
Im Jahr 1761 verpachtete die gräflich-fürstliche Verwaltung das Gelände an den Münzmeister und damaligen Verwalter der Raubacher Hütte Quirin Fritsch, der von 1759 bis 1765 ein Münzunternehmen in Altenkirchen betrieb. Das Pachtgeld betrug 100 Rheinische Gulden. Nachweislich bis ins Jahr 1795 betrieb Fritsch die Förderung und den Abbau von Siderit, Blei- und Kupfererzen, Spahlerit (Zinkblende) und Antimon.

Die Bekanntmachung des Königlichen Bergamts im Amtsblatt der preußischen Regierung des Jahres 1873 macht deutlich, daß bereits zu diesem Zeitpunkt der Gutehoffnungshütte Sterkrade entscheidende Schürf- und Besitzrechte zufielen. (Beitrag vom 3.02.2022)


Im 19. Jahrhundert ging das Bergwerk in den Besitz eines Neuwieder Bergwerkvereins über. Eines seiner bekanntesten Mitglieder war der Kaufmann Cassius Piel, der ein enger Freund des Dichters Hoffmann von Fallersleben war. Danach wurden die Besitzverhältnisse unübersichtlich. Schon in den 1870er Jahren tauchte der Name der Gutenhoffnungshütte Sterkrade/Oberhausen aus dem Ruhrgebiet auf. Weitere Miteigentümer bzw. Anteilseigner scheinen u.a. der aus Struthütten kommende Hermann Schreiber, der Fabrikant Julius Reusch aus Kruft, die Geschwister Hatzmann aus Diez und der Bankier Hermann Herz aus Limburg gewesen zu sein. Erst 1916 klärte ein Gericht die Besitzverhältnisse endgültig zu Gunsten der Gutehoffnungshütte Oberhausen.
Der Betrieb war in dieser Zeit von einem ständigen Wechsel von Inbetriebnahme und Stilllegung geprägt. Oftmals fand keine wirklicher Erzabbau statt, sondern es wurden sogenannte Aufschluß-, Aufwältigungs- und Vorrichtungsarbeiten durchgeführt. Im Januar 1869 waren 12 Männer unter Tage beschäftigt, die höchste, erfasste Zahl an Mitarbeitern in diesem Jahrhundert. Der Lohn betrug für eine zwölfstündige Schicht 14 Silbergroschen.

Spaziergänger lassen sich vor dem Förderturm der Reichensteiner Grube ablichten. Die Aufnahme dürfte um 1930 entstanden sein.
Hier noch einmal der Förderturm von oben aus einer etwas anderen Perspektive. Wo genau er sich auf dem Gelände befand, ist mir nicht bekannt. (Nachlass Heuchener)Nachtrag: Der Diplom-Mineraloge Herr Lang meldete sich vor Kurzem bei mir und konnte nähere Angaben zur Lage des Schachts nebst Förderturm machen. Er befand sich in südwestlicher Richtung, rund 650 Meter entfernt vom Hindenburgstollen, dem eigentlichen Hauptzugang der Zeche. (Beitrag vom 31.08.2023)
Sehen Sie in der rechten Bildhälfte den hellen Betonsockel? Vergleichen Sie ihn einmal mit den beiden Fotografien des Förderturms oben. Ich bin mir recht sicher, daß wir hier eine Aufnahme sehen, die den Bau der Anlage zeigt. (Nachlass Heuchemer/Beitrag vom 4.02.2022)
Nachlass Heuchemer/Beitrag vom 4.02.2022)

Die Blütezeit erlebte das Bergwerk im 20. Jahrhundert. 1915 erfolgte die Wiederinbetriebnahme durch die Gutehoffnungshütte Oberhausen. In Spitzenzeiten wie 1929 waren 170 Kumpels unter Tage beschäftigt. 58 weitere Männer gingen ihrer Arbeit über Tage nach, sieben Büroangstellte waren in der Verwaltung tätig. Zudem wurde die Anlage deutlich erweitert und ausgebaut. 1930 errichtete man auf dem Grubengelände eine Röstofenanlage und 1933 erfolgte die Fertigstellung einer elektro-magnetischen Aufbereitungsanlage.
Mit den 1930er Jahren jedoch nahm die Menge an abbaufähigen Erzen zusehends ab. Von 1934 bis 1936 fanden noch einmal weitgehende, durch staatliche Gelder geförderte Untersuchungsarbeiten statt auf der Suche nach weiteren, profitablen Lagerstätten. Diese blieben aber erfolglos. Trotz beträchtlicher staatlicher Hilfen in Höhe von insgesamt 66 254 Reichsmark verbuchte die Reichensteiner Grube in den Jahren 1934 bis 36 einen Verlust von 54 421, 85 RM. Dem am 1. März 1936 von der Hoffnungshütte gestellten Antrag zur Schließung der Anlage wurde fünf Monate später entsprochen. Am 6. August 1936 stand der Betrieb still. Bemühungen der Werksleitung, die Mitarbeiter auf Werke in Süddeutschland zu verteilen, blieben vergebens, da die meisten Kumpels Haus, Hof und Familie in den umliegenden Dörfern hatten.
Bis 1938 blieb die Gutehoffnungshütte Eigentümer der Anlage. Danach erwarb die Gemeinde Reichenstein das Gelände, um es später an die Barbara-Rohstoffbetriebe GmbH weiterzuveräußern. Ob es Versuche der Firma gab, die Anlage wieder in Betrieb zu setzen, ist mir nicht bekannt.

Um welche Bauwerke wird es sich wohl auf den drei folgenden Aufnahmen handeln? Der zuerst entstandene Gebäudeteil, den wir auf dieser Fotografie sehen, wirkt wie ein Verwaltungstrakt. Besonders schön ist der Blick über das Grubengelände hinweg Richtung Reichenstein. Linkerhand schlängelt sich die baumbestandene Landstraße nach Oberähren entlang. (Nachlass Heuchemer/Beitrag vom 4.02.2022)
Inzwischen sind zwei weitere Gebäudeteile hinzugekommen. Sind das Holzscheite, die an der rechten Seite der Querbaracke zu sehen sind? War das der Heizraum, der die dampfbetriebende Förderungsanlage in Gang setzte? Bei dieser Einstellung erhaschen wir sogar einen wunderbaren Blick auf die Reichensteiner Burgruine und Teile der Ortschaft. (Nachlass Heuchemer) Nachtrag: Bei den im Vordergrund zu sehenden beiden Bauten handelte es sich laut Lageplan um die Betriebsgebäude. Daran schloß sich die Baracke an, die die Kompressoranlage beherbergte. Beheizt wurde der Drucklufterzeuger durch das Kesselhaus, das sich auf der rechten Seite anschloß, auf der Fotografie aber leider nicht mehr zu sehen ist. Nur die Heizrohre, die beide Gebäudeteile verbanden, sind zu erkennen. (Beitrag vom 29.05.2023])
Bei der dritten Aufnahme sehen wir im Vordergrund, wie ein Förderwagen, auch Lore genannt, durch einen Seilzug den Grubenberg hinaufgezogen bzw. herabgelassen wird. Auch hier wieder ein schöner Blick auf die „Räister Burch“. (Nachlass Heuchemer/Beitrag vom 4.02.2022)
Dies müßte die 1930 errichtete Röstofenanlage sein. Das „Rösten“ ist eine wichtige Vorstufe der Erzgewinnung, bei der unerwünschte Bestandteile wie etwa Wasser oder Schwefelreste durch Erhitzung bei ungefähr 700 Grad aus dem Erzgestein entfernt werden. (Nachlass Heuchemer/Beitrag vom 4.02.2022)
In welchem Gebäudeteil mag sich wohl die kolossale, dampfbetriebene Fördermaschine der Reichensteiner Grube befunden haben? Wie hier zu sehen, hat sie einen ganzen Raum ausgefüllt. (Nachlass Heuchemer) Nachtrag: Vermutlich handelt es sich bei dieser dampfbetriebenen Anlage um den Kompressor, der die Druckluft zum Betrieb der pneumatischen Bohrmeißel erzeugte. Beitrag vom 29.05.2023)
Dieser Lageplan der Reichensteiner Grubenanlage, der sich im Archiv der Verbandsgemeindeverwaltung Puderbach befindet, macht deutlich, wie sich die verschiedenen Gebäude und Industrieanlagen auf dem Gelände verteilten und was sich genau darin befand. (Beitrag vom 29.05.2023)


Vielen Puderbachern ist Hans Heuchemer sicherlich noch in guter Erinnerung. Er war es, der das Gelände im Jahr 1977 für sich und seine Familie kaufte. Sein Interesse an der Geschichte der Reichensteiner Grube muß groß gewesen sein, denn er sammelte über die Jahre eine Vielzahl an alten Aufnahmen der Anlage und seiner Mitarbeiter. An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei der Tochter Hans Heuchemers bedanken, die mir freundlicherweise etliche dieser Bilder für meinen Blog zur Verfügung gestellt hat. Tausend Dank liebe Katja!! (Beitrag vom 3.02.2022)

Leider kennen wir von den Bergleuten auf dieser Aufnahme nur einen namentlich. Von den drei Männer in der Bildmitte soll der Mittlere der in Richert geborene Wilhelm Velten sein. Erkennen Sie die anderen Grubenarbeiter? Über Ihre Mithilfe würde ich mich sehr freuen! (Nachlass Heuchemer/Beitrag vom 4.02.2022)
129 Arbeiter der Reichensteiner Grube haben sich für dieses Foto vor dem Eingang des sogenannten „Hindenburgstollen“ versammelt. Die Belegschaftsstärke hat sich im Vergleich zur Aufnahme oben bereits deutlich erhöht. Zu Spitzenzeiten waren bis zu 235 Männer in der Anlage beschäftigt. (Nachlass Heuchemer/Beitrag vom 4.02.2022)
Zwei Reichensteiner Grubenarbeiter in Bergmannstracht. Sie fällt nicht ganz so prächtig aus, wie wir es vielleicht kennen. Statt Schachthut mit Federbusch tragen die beiden eine schlichte Schirmmütze. Ihr reich mit glänzenden Knöpfen verzierter Bergkittel jedoch ist eine wahre Zierde. Kennt jemand die Namen der beiden Bergmänner? (Nachlass Heuchemer/ Beitrag vom 4.02.2022)
Auch bei diesen beiden Männern müßte es sich um Grubenarbeiter in Bergmannstracht handeln. Aufgenommen wurden sie vermutlich zu Beginn der 1930er Jahre vor der Gastwirtschaft Zerres in Puderbach. (Beitrag vom 9.03.2022)

Verunglückt

Besonders ergreifend ist das Schicksal des am 12. November 1899 geborenen Wilhelm Schmidt. Sein Vater Karl hat bis 1920 als Fuhrmann am Gasthof Kasche gearbeitet. Die ganze Familie trägt deswegen den Rufnamen „Kasches-Schmidts“. Am 3. Februar 1925 tritt Wilhelm nach einjähriger erfolgloser Arbeitssuche seinen Dienst an der „Räister Gruw“ an. Auch der aus Woldert stammende 21jährige Werner Neitzert steht nach längerer Arbeitslosigkeit jetzt wieder in Lohn und Brot. Zwei Tage nach ihrem Arbeitsbeginn kommt es zur Katastrophe. Während ihrer Schicht stürzt einer der Stollen ein und begräbt die beiden und einen weiteren Kumpel unter meterdicken Geröllmassen. Die Bergungsmannschaften können nach Stunden einen der Verschütteten retten, für Wilhelm Schmidt und Werner Neitzert kommt jede Hilfe zu spät. Drei Tage später findet auf dem Puderbacher Friedhof unter zahlreicher Anteilnahme der Bevölkerung die Beerdigung statt. Beide werden in ihrer Bergmannskleidung beigesetzt.

Der Zeitungsartikel vom 6. Februar 1925 berichtet von dem tragischen Unglück im Reichensteiner Bergwerk. (Nachlass Heuchemer/Beitrag vom 20.01.2022)

„Räister Gruw“ oder Grube Silberwiese?

Bei den nächsten drei Aufnahmen ist die Zuschreibung leider nicht eindeutig. Zu sehen ist u.a. der gebürtig aus Reichenstein kommende Willi Sommer, der etliche Jahre im Bergbau tätig war. Sein Enkel, der mir freundlicherweise die Fotografien ausgeliehen hat, erinnerte sich, daß sein Großvater sowohl in der Grube „Reichensteiner Berg“ als auch in der Zeche „Silberwiese“ in Oberlahr tätig war. Der Betrieb in der „Räister Gruw“ wurde am 6. August 1936 eingestellt und in Oberlahr fuhren die letzten Kumpel am 31. März 1941 unter Tage. Die Frage bleibt, wo die Aufnahmen gemacht wurden.

Dunkel, beklemmend, stickig, laut… Dies sind einige meiner Assoziationen beim Betrachten dieses Fotos. Die vier Bergmänner, die hier zu sehen sind, haben in ihrer Arbeit inne gehalten und sich für den Fotografen am Stollenende versammelt. Ganz rechts sehen wir den aus Reichenstein stammenden Willi Sommer, der den Druckluftbohrhammer in den Händen hält, sein Kamerad hat den riesigen Bohrer herausgenommen und präsentiert ihn der Kamera. Erkennen Sie die Gesichter der mir nicht bekannten Bergleute?
Willi Sommer, hier ganz links zu sehen, und zwei seiner Kameraden haben sich für die Kamera aufgestellt. Alle drei halten ihre Grubenlampen in der Hand. Geht es für sie gleich wieder unter Tage oder hat der Förderkorb sie gerade aus den Tiefen nach oben gebracht? Ich frage mich, um welchen Teil des Bergbaukomplexes es sich im Hintergrund handelt. Wie ein Förderturm sieht es nicht aus. Bei all diesen Fragen bitte ich Sie, geschätzte Leserinnen und Leser, um Ihre Hilfe! Wissen Sie um die Aufgabe der Holzkonstruktion im Hintergrund? Und erkennen Sie die anderen Bergmänner auf der Fotografie? Ist die Fotografie in der Reichensteiner oder in der Oberlahrer Grube enstanden?
Bei dieser Aufnahme haben sich weitere Kumpels zu den drei Bergmänner gesellt. Willi Sommer ist in der stehenden Gruppe der dritte von rechts. Erkennen Sie die anderen Grubenarbeiter?
Liebe Leserinnen und Leser, schauen SIe sich einmal die 3. Person von links an, den Grubenarbeiter, der im Vordergrund sitzt. Er taucht auch auf den drei Aufnahmen aus dem Besitz von Willi Sommer auf. Wer mag der junge Mann sein? Erkennt jemand in ihm seinen eigenen Vater, Großvater oder Urgroßvater? Über Ihre Mithilfe bei der Lösung dieses Rätsels würde ich mich sehr freuen! (Nachlass Heuchemer/Beitrag vom 4.02.2022)

Aus der Raubacher Hütte wird die Papierfabrik Hedwigsthal

Die Familie Freudenberg als Hüttenbesitzer

Über Generationen befindet sich die sogenannte Raubacher Hütte, ein Eisenwerk zur Herstellung von Roheisen, im Besitz der Familie Freudenberg. Bereits im 18. Jahrhundert wird der Gräfliche Kammerrath zu Dierdorf Johann Philipp Freudenberg und seine aus einer Unternehmerfamilie stammende Frau Sophia Fredericka Remy in den Urkunden als Eigentümer des Werks erwähnt. Ihm folgt ein weiterer Johann Philipp, geboren 1768 und angestellt als Fürstlich Wiedischer Hofkammerrath zu Neuwied. Und auch die nächste Generation wird im Jahr 1803 auf den Namen des Vorfahren Johann Philipp getauft. Dieser Freudenberg lebt mit seiner Frau Caroline und den 5 gemeinsamen Kindern in einem geräumigen Haus auf dem Werksgelände. Im Jahr 1873 muß die Raubacher Hütte veräußert werden, da alle Nachfahren andere Wege einschlagen und keiner die Leitung des Werks übernehmen will. Der 1838 geborene Wilhelm wird ein renommierter Dirigent und Komponist und der 1843 geborene Johann Philipp wird Überseekaufmann. Am bekanntesten wird aber die 1858 in Raubach geborene Ika Freudenberg werden. Sie macht sich als führende Frauenrechtlerin in Deutschland einen Namen, gründet den Verein für Fraueninteressen und ist Vorstandsmitglied des Bunds deutscher Frauenvereine.

Die erste Papierfabrik Hedwigsthal

Die Gebrüder Carl und Hermann Milchsack haben das Hüttengelände 1873 von den Freudenbergs käuflich erworben. Die Geschwister wollen auf dem Areal des Eisenwerks eine Papierfabrik errichten. Am 30. Juni 1874 ist es dann soweit. Wo früher die Anlage zur Erzeugung von Roheisen stand, werden nun in den neuerrichteten Fabrikgebäuden Papierrollen für Telegraphenapparate, Diagrammpapier für die unterschiedlichsten Aufzeichnungsgeräte, sowie Papier für die Herstellung von Gewehrpatronen hergestellt. Das Unternehmen erhält den wohlklingenden Namen „Hedwigsthal“ nach dem Vornamen der Verlobten von Hermann Milchsack. Zunächst scheint das Geschäft erfolgreich zu laufen. Die Milchsacks erhalten bei der Internationalen Elektrizitätsaustellung in Paris 1881 eine Auszeichnung. Auch an mangelnden Kunden kann es nicht gefehlt haben. Sie liefern Ihre Produkte an Staatstelegrafen u. Eisenbahnverwaltungen sowohl im In- als auch im Ausland. Doch bereits 1881 kommt es zum Zerwürfnis zwischen den Brüdern und die beiden Geschäftsmänner trennen sich. 1882 wird der Betrieb eingestellt, da die Firma bankrott und nicht mehr zahlungsfähig ist.

Wechselnde Inhaber

Danach bricht eine unstete Zeit für das Firmengelände der Papierfabrik an. Zunächst kauft ein Verwandter der Familie Freudenberg, der aus Bendorf kommende Wilhelm Remy, das Areal. Er übergibt das Unternehmen an die Firma Jagenberg & Söhne aus Altenkirchen, die Backpapier und andere Papierarten herstellt. Doch bereits 1891 wird der Betrieb wieder geschlossen. Der nächste Besitzer ist ein Hermann Heß aus Gießen, dessen Geschäftsidee unklar bleibt. Er entfernt sämtliche papierproduzierenden Maschinen und Gerätschaften aus den Hallen. 1909 trifft man auf Albert Bäßler aus Gevelsberg, der wieder in die Eisenverarbeitung einsteigen will. 1916 kauft dann der Unternehmer Johann Lohmann aus Fahr am Rhein das Fabrikgelände und produziert in den Werkshallen Zellstoffwatte. 1923 folgt die Weltwirtschaftskrise und der Zusammenbruch der Märkte. Hedwigsthal wird stillgelegt. 1924 steht das Gelände wieder einmal zum Verkauf.

Eine Aufnahme der Papierfabrik Hedwigsthal von 1956. 29 Jahre zuvor hatte der Paperfabrikant Adolf Halstrick die leerstehenden Hallen und Produktionsstätten übernommen und in ein floriendes Unternehmen verwandelt. (Beitrag vom 23.03.2022)

Übernahme durch die Papierfabrik Halstrick

Am 17. Dezember 1927 übernimmt Johannes Scheffer-Hoppendörfer die Leitung des leer stehenden Firmengeländes. Er ist Miteigentümer des erfolgreichen papierproduzierenden Unternehmens Halstrick in Stotzheim. 1903 hatte Adolf Halstrick die Fabrik in Efferen bei Köln eröffnet. 1929 wird der Sohn des Firmengründers Dr. Adolf Halstrick die Leitung von seinem Onkel übernehmen und das Werk in Raubach bis 1952 sicher und erfolgreich durch die Jahre führen, auch wenn in den Kriegsjahren durch einen Brand Teile der Anlage ein Raub der Flammen werden. 1953 folgt für sechs Jahre Dr. Walter Halstrick in der Firmenleitung, bevor 1959 Dr. Rudolf Halstrick und Karl Theodor Boden die Geschäfte bis ins Jahr 1998 weiterführen. Seit 1998 ist die Anlage Teil des finnischen Konzerns Metsä Tissue. Das Unternehmen ist mit seinem Produkt „Saga“ der weltweit größte Hersteller von Backpapier.

Eine graphische Zeichnung des erweiterten Firmengeländes der Papierfabrik Hedwigsthal aus den beginnenden 1960er Jahren.

Links:

Gemälde von Januarius Zick aus dem Jahr 1776 u.a. mit Johann Philipp Freudenberg und seiner Frau Sophia Fredericka Remy

https://rlp.museum-digital.de/object/29973?navlang=de

Der Komponist und Dirigent Wilhelm Freudenberg

http://mmm2.mugemir.de/doku.php?id=freudenberg

Der Überseekaufmann Johann Philipp Freudenberg

https://www.deutsche-biographie.de/sfz17089.html

Die Frauenrechtlerin Ika Freudenberg

https://de.wikipedia.org/wiki/Ika_Freudenberg

Geschichte der Papierfabrik Halstrick

http://www.wisoveg.de/euskirchen/hkalender/63fasana.html

Handwerkliche Berufe

Sägewerk der Familie Schmidt

Hier ein Blick in das Sägewerk der Familie Schmidt um 1925. Es befand sich hinter dem 1884 errichteten Bahnhofsgebäude. Ganz links steht Friedrich Schmidt, der zweite von rechts ist Friedrich Velten. Erkennen Sie weitere Personen auf dem Bild?

Metzgerei der Familie Hottgenroth

Eine wunderbare Aufnahme der Metzgerei Hottgenroth an der Ecke Mittelstraße/Reichensteiner Weg Anfang der 1930er Jahre. Das Ladengeschäft nebst Schlachterei wird um 1900 von dem aus Püscheid stammenden Metzgermeister Wilhelm Hottgenroth eröffnet. Rechts auf der Treppe steht Alfred Schuh, der dem Schlachter bei seiner Arbeit zur Hand ging.

Bürotätigkeiten

Gemeindeverwaltung Puderbach

Um 1930 entsteht diese wunderbare und auch seltene Aufnahme aus dem Puderbacher Bürgermeisteramt an der Hauptstraße. Sie zeigt eine der Amtsstuben, in der die beiden jungen Verwaltungsgehilfen Willi Heinrichs (am Telefon) und Friedrich Blum (in der Mitte ein Dokument studierend) für die Kamera den Büroalltag nachstellen. Wer mag der Halbwüchsige am rechten Bildrand sein, der so fleißig am telegraphieren ist?
Bei dieser zweiten Aufnahme haben Friedrich Blum und Willi Heinrichs die Rollen getauscht.

Beschäftigt bei der Bahn

Ein wunderbarer Blick auf das 1884 errichtete Puderbacher Bahnhofsgebäude. Die Aufnahme dürfte um 1905 entstanden sein. (Beitrag vom 20.11.2023)
Um 1923 lassen sich die Angestellten der Deutschen Reichsbahn vor dem Puderbacher Bahnhofsgebäude aufnehmen. Von rechts nach links sehen wir den Bahnarbeiter Wilhelm Schmidt, den sogenannten Rottenführer Karl Reinhard, den Weichensteller Louis bzw. Ludwig Hähn (die nächste Person ist unbekannt) und den Bahnarbeiter Anton Schneider. Die übrigen Personen links sind ein französischer Besatzungssoldat sowie der Ortspolizist Gustav Bay. (Beitrag vom 20.11.2023)

Rottenfüher Karl Reinhard

Als ich den Begriff Rottenführer das erste Mal hörte, wußte ich nichts Rechtes damit anzufangen, verortete in sogar fälschlicherweise in den Sprachduktus der Nationalsozialisten. Doch eine Recherche im Internet half mir weiter.
Es handelt sich um eine Berufsbezeichnung, die in Österreich weiterhin existiert und einen Bahnbediensteten bezeichnet, der für die Erhaltung des ordnungsgemäßen Zustands der Bahn und ihrer Gleisanlagen zuständig ist.
Hier sehen wir den Rottenführer Karl Reinhard (Mitte mit Uniform) und seine Arbeiter vermutlich bei der Kontrolle und Instandhaltung des Gleisbettes. Namentlich ist mir außer Reinhard nur Walter Hähn bekannt, der links neben ihm steht.
Wo könnte die Aufnahme entstanden sein? Erkennt jemand das brückenartige Bauwerk im Hintergrund? Und wer mögen die verbleibenden Bahnarbeiter sein? Über Ihre Mithilfe würde ich mich sehr freuen! (Beitrag vom 20.11.2023)

Milchfahrer für die Raubacher Molkerei

An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei Herrn D. Packmohr bedanken, der so freundlich war, mir eine ganze Reihe von Fotografien aus dem Nachlass seiner Familie zur Verfügung zu stellen. Zu diesen gehört die Aufnahme seines Großvaters Paul Spies, der von Beruf gelernter Bäcker war, aber darüber hinaus in den 1930er Jahren als Milchfahrer arbeitete. Hier sehen wir ihn, wie er gerade von Hanroth kommend mit Pferd und Pritschenwagen auf die Landstraße nach Raubach abbiegt. Vermutlich hat er gerade die letzten Milchkannen eingesammelt, um sie im Anschluß in der Molkerei-Genossenschaft abzuliefern. (Beitrag vom 22.11.2023)
Eine Aufnahme, die um das Jahr 1960 entstanden sein könnte. Es ist Winter und Puderbach tief verschneit. Trotz der widrigen Wetterverhältnisse ist der Milchfahrer Emil Herzog mit Traktor und Pritschenwagen unterwegs, um die gefüllten Milchkannen einzusammeln und in die Molkerei nach Raubach zu schaffen. Gerade befindet er sich am Zusammenlauf von Haupt- und Mittelstraße und hievt mit Hilfe von Alfred Weber die Behälter der „Heydorschs“ auf den Wagen.
Dank der beiden Kinder, es handelt sich um die Töchter des Radio- und Fernsehtechnikers Emanuel Roth, kann man die Tageszeit recht genau bestimmen. Denn die beiden sind gerade mit Schlitten und Schulranzen auf dem Weg zum morgendlichen Schulunterricht, der vermutlich um 8 Uhr beginnt. Bei dem Herrn mit Hut und Mantel handelt es sich um Dr. Walter Hoffmann, der höchstwahrscheinlich auf dem Weg in seine Praxis Im Bruch ist. (Beitrag vom 22.11.2023)
„Verbunden mit dem Wunsche für ein frohes und recht gesegnetes Weihnachtsfest danken wir Ihnen am Jahresende für das bewährte Vertrauen und das gute Zueinander, das uns Dank und Ansporn zugleich für die Zukunft sein soll. Mit allen guten Wünschen und Hoffnungen wollen wir ins neue Jahr 1959 gehen und möge das Glück und ein guter Stern uns immer begleiten“.
So bedankt sich zum Jahresausklang 1958 die Molkerei-Genossenschaft Raubach mit dieser Luftaufnahme bei allen Landwirten, die den Betrieb mit ihrer Rohmilch versorgten. Der Gebäudekomplex befindet sich noch heute in leicht veränderter Form am Ortsende von Raubach in Richtung Wienau und Dierdorf. Es bleibt die Frage an meine geschätzten Leserinnen und Leser, wie lange die Mokerei bestanden hat. (Beitrag vom 22.11.2023)

Angestellte bei der Post

Die folgenden drei Fotografien mögen auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches sein, bilden aber doch ein Stück Zeitgeschichte. Entstanden sind sie im Jahr 1942. Der 2. Weltkrieg tobt bereits seit drei Jahren und fast alle Männer im wehrfähigen Alter sind eingezogen und an die Fronten geschickt worden. Sie hinterlassen nicht nur eine schnerzhafte Lücke in den Familien, sondern auch im deutschen Wirtschaftsleben, den Fabriken, Geschäften und landwirtschaftlichen Betrieben. Das Nazi-Regime ersetzt einen großen Teil dieser vakanten Stellen durch das unrechtmäßige Rekrutieren von Zwangs-und Fremdarbeitern. 1944 leisten 7,5 Millionen Männer und Frauen aus den besetzten Gebieten für Nazi-Deutschland Fronarbeit.
Doch auch den deutschen Frauen, denen sonst die Aufgabe der Hausfrau und Mutter zugedacht ist, bietet sich nun die Gelegenheit, einer Berufstätigkeit nachzugehen. So wie dem „Muschender Milchen“, das eine Anstellung bei der Poststelle in Puderbach findet. Hier sehen wir die gerade Achtzehnjährige, wie sie den mit Briefen und anderen Sendungen befüllten Postwagen vom Bahnhofsgebäude abholt. Am frühen Morgen war das Postgut mit der Eisenbahn angeliefert worden. (Beitrag vom 26.11.2023)
Für Emilie Born und ihre Eltern, den „Muschender“ Philipp und das „Muschender“ Paulinchen, ist das Jahr 1942 ein äußerst schmerzliches. Gleich zwei Todesfälle treffen die Familie hart. Am 21. März verstirbt die von allen geliebte Mutter und Großmutter Emilie Katharine Born geb. Löhr mit 71 Jahren an einer Herzmuskelentzündung. Fünf Monate später erreicht sie die schockierende Nachicht, daß der gerade erst 21jährige Sohn und Bruder Karl in Russland gefallen ist. Die schwarze Trauerkleidung, die die blutjunge Emilie auf den beiden Aufnahmen am Bahnhof trägt, lässt die Datierung ins Jahr 1942 zweifelsfrei zu. (Beitrag vom 26.11.2023)
Vermutlich ein Jahr später, die schwarze Trauerkleidung ist einem luftigem Sommerkleid gewichen, entsteht diese Aufnahme des „Muschender Milchen“ vor dem Anwesen ihrer Eltern. Die Posttasche über die Schulter gehängt und ein Bündel Briefe in den Händen haltend, macht sie sich gleich auf den Weg, die Sendungen mit dem Fahrrad auszutragen. (Beitrag vom 26.11.2023)

Beschäftigt im Ruhrgebiet

Fördermaschinist Wilhelm Frohn

„1913-1938 Herrn Wilhelm Frohn in dankbarer Anerkennung 25jähriger treuer Dienste“. So lautet die Inschrift auf der edlen Taschenuhr, die der gebürtige Puderbacher im Jahr 1938 von der Geschäftsleitung der Gutehoffnungshütte Oberhausen überreicht bekommt. In all den Jahren hat er als Fördermaschinist dafür gesorgt, daß sowohl die Kumpels unter Tage als auch die in der Tiefe der Stollen gewonnenen Rohstoffe sicher nach oben transportiert wurden. Hier sehen wir ihn, wie er für die Kamera in seinem Bedienstand seinen Arbeitsalltag nachstellt. (Beitrag vom 1. November 2021)

Lokomotivführer Wilhelm Scheiderer

Viele Jahre arbeitete Wilhelm Scheiderer im zwischen Düsseldorf und Duisburg gelegenem Krefeld als Lokomotivführer. Hier sehen wir ihn vermutlich um das Jahr 1940 vor seiner Dampflok, die wegen der kalten Witterung und dem ergiebigem Schnee mit einem Schienenräumer versehen ist. Bis 1943 ist er für die Deutsche Reichsbahn tätig, lebt mit seiner Frau Anna und den zwei minderjährigen Kindern Otto und Friedrich in der Krefelder Innenstadt, bis ein persönlicher Schicksalsschlag ihn wieder nach Puderbach führt. In der Nacht vom 21. auf den 22. Juni 1943 werden seine Frau und die beiden Kinder bei dem schwersten Luftangriff auf die Großstadt in ihrem Luftschutzkeller verschüttet und können nur noch tot geborgen werden. (Beitrag vom 1. November 2021)

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