Ausflüge in die Umgegend

Inhaltsverzeichnis

Almersbach

Hier ein Blick auf die wunderschöne spätromanische Kirche in Almersbach, die heute noch Wandfresken aus dem 13. Jahrhundert aufweist. 1915 wurden sie bei Renovierungsarbeiten entdeckt und zum Teil wieder freigelegt. Die Postkarte selbst dürfte aus dem 1950er Jahren stammen. (Beitrag vom 15. November 2021)

Altenkirchen

Auf dieser wunderhübschen Lithografie Altenkirchens aus dem Jahr 1899 ist ganz links der im Mai 1884 eingeweihte Bahnhof zu erkennen. Die Stadt war seit diesem Zeitpunkt an das 30 Kilometer entfernte Siershahn angebunden. Ein Jahr später folgte die Streckeneröffnung nach Hachenburg und Limburg. 1886 ist auch das an der Sieg gelegene Au und somit die Rheinmetropole Köln erreichbar. Die Lage als günstiger Verkehrsknotenpunkt kam der aufstrebenden Kleinstadt sicherlich zu Gute.
Sechs Jahre bevor die Karte verschickt wurde, am 23. April 1893, fielen dutzende Gebäude der Stadt einem Großfeuer zum Opfer, darunter die evangelische Kirche, die 1822 bis 1827 nach Plänen des berühmten Berliner Architekten Karl Friedrich Schinkel errichtet worden war. (Beitrag vom 14. November 2021)
Noch heute kann man einen ganz ähnlichen Blick auf Altenkirchen erhaschen, nähert man sich der Ortschaft zu Fuß oder mit dem Rad über die im Süden gelegene Heimstraße.
Von den Zerstörungen des Großbrands 1893 ist auf der obigen wie dieser Ansichtskarte, die im Jahr 1906 verschickt wurde, nichts mehr zu erkennen. Alle Häuser, die das Feuer vernichtet hat sind wiederaufgebaut und die neue Kirche der Evangelischen Gemeinde festlich eingeweiht.
Rund vierzig Jahre später, im März 1945, ereilt die Stadt ein weiterer Schicksalsschlag. Bei mehreren Luftangriffen durch alliierte Bomber wird das Zentrum Altenkirchens fast vollständig zerstört und 200 Menschen verlieren ihr Leben. Der unten angefügte Link zeigt ein Bild der verwüsteten Stadt vom 26. März 1945. (Beitrag vom 2.09.2024)

Link:

Wilhelmstraße

Ich weiß nicht mehr, wie oft mich mein Schulweg von 1983 an mit einem sogenannten Schienenbus, einem Benzin betriebenen Verbrennungstriebwagen, von Puderbach nach Altenkirchen führte. Am dortigen Bahnhof angekommen, mußte ich hastigen Schrittes hinauf zum Westerwald-Gymnasium an der Glockenspitze laufen. Mein Weg ging stets über die hier zu sehende Wilhelmstraße. 1960, als diese Postkarte verschickt wurde, war die mit Geschäften gesäumte Straße noch für den Verkehr freigegeben. In späteren Jahren wandelte man sie zur Fußgängerzone um. (Beitrag vom 3. November 2021)

Daufenbach

Um das Jahr 1907 kam diese schöne Ansichtskarte mit zwei Dorfansichten Daufenbachs und den floralen Jugendstilverzierungen in Umlauf. Bei dem Gebäude handelt es sich laut der Fassadenbeschriftung um den Gasthof von Wilhelm Scharfenstein. 1909 übernahm der aus Döttesfeld stammende Gustav Schneider den Gasthof und richtete in den Räumlichkeiten die erste Poststelle ein.
Die Panoramaaufnahme dürfte aus südlicher Richtung aufgenommen sein und zeigt den alten Ortskern mit Hauptstraße und Bohnengasse. Ich meine links im Hintergrund den stattlichen Bau der Gastwirtschaft wiederzuerkennen. (Beitrag vom 21.03.2022)

Geschichte der jüdischen Familie Cahn aus Daufenbach

Haben Sie auch schon einmal an der Gedenktafel an der Puderbacher Friedhofshalle inne gehalten und sich die Inschrift durchgelesen? Hier wird der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger erinnert, die während der Nazi-Diktatur verfolgt, entrechtet und ermordet wurden. Mir persönlich sind die Familien Puderbachs, die Arons, Bärs, Salomons und Wolffs durch die Erzählungen meiner Großeltern, durch die Unterlagen und Fotos von Herrn Ted Tobias und durch eigene Recherchen sehr vertraut geworden.

Weitgehend unbekannt blieb mir das Schicksal der jüdischen Dorfbewohner in den umliegenden Dörfern. Wer waren die in Urbach lebenden Geschwister Jakob, Sara und Karoline Levi und wohin hatten die Nazis sie verschleppt? Was geschah mit dem in Daufenbach lebenden Metzger Max Cahn, seiner Frau Hedwig und den gemeinsamen Kindern?

Bei Recherchen im Archiv der Puderbacher Verbandsgemeinde stieß ich 2023 auf mehrere Dokumente der Familie Cahn, die mich zutiefst berührten. Es handelte sich um Anträge zur Ausstellung eines Reisepasses und auf den Formularen waren zwei Fotos von Max und Hedwig Cahn angebracht. Zum ersten Mal bekamen die beiden für mich ein Gesicht, wurden für mich greifbar. Dies war der Anlass, weiter zu forschen.

Nach den schweren Auschreitungen am 10. November 1938 dürfte Max Cahn und seiner Familie klar geworden sein, daß ein normales Leben in Nazi-Deutschland nicht mehr möglich ist. Die Anträge auf Aufstellung eines Reisepasses sind der verzweifelte Versuch, daß Land so schnell als möglich zu verlassen. Doch die Cahns leben in sehr bescheidenen Verhältnissen und die finanzielle Not ist seit der Machtergreifung Hitlers 1933 größer geworden. Letztlich können sie das Geld für die Auswanderung nach Gan HaShomron, eine Siedlung in Israel, in der der Bruder Hedwig Cahns lebt, nicht aufbringen.

Inzwischen ist eine umfangreiche Sammlung entstanden, die neben einem ausführlichen Stammbaum und einigen Fotografien auch amtliche Schriftstücke enthält, die den Lebens- und Leidensweg der weitverzweigten Familie nachzeichnen und die an dieser Stelle Eingang finden sollen.

Meyer Cahn

Es ist auffällig, wie sehr sich die Lebensläufe von Meyer Cahn, von allen Max genannt, und seinem Vater Jakob doch ähneln. Schon nach wenigen glücklichen Ehejahren verstirbt deren Ehefrau und hinterlässt die Männer mit mehreren minderjährigen Kindern. Beide heiraten ein zweites Mal und gründen neue Familien. Doch beginnen wir die Geschichte von vorne.

Maxs Vater ist der 1843 in Bochum geborene Metzgermeister Jakob Cahn. Die Ursprünge der Familie lassen sich bis in das bei Neuwied gelegene Segendorf zurückverfolgen. Am 30. November 1871 heiratet Jakob die aus Bigge im Hochsauerlandkreis stammende Rieka Stern. 1874 erblickt Meyer/Max das Licht der Welt, fünf Jahre später erfolgt die Geburt des Sohnes Albert.

Max dürfte in der Wittener Straße 2 geboren sein. So lautet die Anschrift seines Vaters Jakob Cahn in einem historischen Adressbuch aus dem Jahr 1874. Doch einige Jahre später lebt die Familie in der Buddenbergstraße Nr. 6 in der Bochumer Altstadt. Diese alte Postkarte vermittelt uns einen Eindruck der beschaulichen Lebensverhältnisse dieser Zeit. Heute erinnert nichts mehr an das alte Stadtbild. Zwischen 1943 und 1944 wurde die Innenstadt durch allierte Fliegerverbände fast vollständig zerstört.
Früher Tod

Leider gibt der Auszug aus dem Bochumer Standesamtregister keine Auskunft, woran die gerade mal 32jährige Rieka in den frühen Morgenstunden des 20. Februar 1881 verstirbt. Nüchtern und sachlich vermeldet der Beamte den Tod der Mutter und Ehefrau in der Wohnung der Bochumer Altstadt. Der Schmerz und die Trauer des jungen Witwers und der zwei kleinen Söhne lässt sich nur erahnen.

Quelle: https://www.landesarchiv-nrw.de/digitalisate/Abt_Ostwestfalen-Lippe/P6/P6-03.html

Es ist garnicht so selten, daß Familienangehörige die durch den plötzlichen Tod hervorgerufenen Lücken wieder schließen. 1883 heiratet Jakob Cahn seine unverheiratete Schwägerin, die 1853 in Bigge geborene Emilie Stern. Vier weitere Kinder entstammen dieser Verbindung, der 1884 geborene Simon, Moritz (1888) und die beiden Töchter Amalie (1894) und Hermine (1902). Mitte/Ende der 1880er Jahre siedelt die Familie von Bochum ins Sauerland über.

Metzgergeselle in Köln

Um 1899 treffen wir Max in Köln wieder. Einige Jahre zuvor hat er hier eine Ausbildung zum Metzger begonnen. Wer mag der koschere Schlachtermeister gewesen sein, bei dem er in die Lehre gegangen ist? Verbringt er seine Lehrjahre bei dem aus dem Vorgebirge stammenden Arnold Katz, der 1892 am Mauritius-Wall 16-18 seine erste Metzgerei eröffnet und dessen Kinder daraus ein florierendes Unternehmen mit zahlreichen Filialen machen? Arbeitet er in dem 1895 eröffneten Städtischen Schlachthof in der Liebigstraße, einem prächtigen Bau im Neorenaissance-Stil? Desweiteren bleibt für mich die Frage, wie sich die Wege des jungen Metzgergesellen und die, der aus Urbach stammenden Jette Levi kreuzen.

Jette Levi

Geboren wird Jette Levi am 16. September 1864 in Urbach als Tochter des Handelsmanns Isaak Levi und seiner Frau Jette geb.Veit. Zu der näheren Verwandschaft gehören der Onkel Moses, seine Frau Helene geb. Hoffstadt und deren Kinder Karoline (1884), Jakob (1889) und Sara (1893), ebenfalls wohnhaft in Urbach. Bei meinen Recherchen stieß ich auf einen weiteren Onkel, den Metzgermeister Häsel genannt Hermann Levi. Er ist in 2. Ehe mit der aus Rothenkirchen bei Fulda stammenden Bertha Stern verheiratet und hat wohl zwei Söhne, Arthur und Harry. Desweiteren gibt es Anverwandte, die in Daufenbach lebende Amalie Meyer, im Ort als „Säckels Malchen“ bekannt, sowie ihre Schwester Karoline, die mit dem Katholiken Wilhelm Balke aus Bochum verheiratet ist.

Im Judentum werden Gräber für die Ewigkeit errichtet. Der alte Grabstein Isaak Levis hat bereits über ein Jahrhundert auf dem jüdischen Friedhof Puderbachs überdauert.

Jettes Onkel Hermann war u.a. in Köln als Fleischhauer beschäftigt. Lernt die junge Frau Max bei einem ihrer Besuche in der Rheinmetropole kennen?

Das Abmeldebuch des Amts Puderbach zeigt uns, daß junge, unverheiratete Frauen, wie Jettes Cousinen Sara und Karoline Levi, immer wieder in anderen Städten als Dienstmagd arbeiten, in sogenannter Stellung sind. Es liegt nahe, daß auch Jette solch einer Beschäftigung nachging. Ist sie in Köln angestellt und trifft dort auf den Metzgergesellen Meyer Cahn?

Der nächste gesicherte Nachweis findet sich in den Puderbacher Gemeindeakten. Am 20. März 1899 meldet Isaak Levi die Geburt seines Enkelsohnes Julius an, der drei Tage zuvor das Licht der Welt erblickt hat. Jette ist zu diesem Zeitpunkt noch unverheiratet. Legitimiert wird das Kind sieben Monate später, am 13. Oktober durch die standesamtliche Heirat des Metzgergesellen Max Meyer Cahn aus Bochum und der früheren Dienstmagd Jette Levi aus Urbach. Das frisch getraute Paar bezieht ein kleines, eingeschoßiges Häuschen in der Bohnengasse in Daufenbach.

Die Cahns und ihre Kinder

In rascher Folge bekommt das Paar neben dem erstgeborenen Julius (17.03.1899) sechs weitere Kinder, Sigmund (11.12.1900), Markus (4.02.1902), Alfred (1903), Emil (8.04.1904), Friederike (31.10.1905) und Juliane (10.04.1910).

Man muß sich die Lebensverhältnisse der vielköpfigen Familie mehr als einfach vorstellen. Max verdient mit dem Schlachten von Ziegen und Lämmern und dem Verkauf der Felle ein bescheidenes Einkommen. Der spitz zulaufende Garten, der sich vor dem Haus befindet, versorgt die Familie zusätzlich mit Kartoffeln und anderem Gemüse. Wie leben und schlafen neun Personen in einem Gebäude, das laut Zeitzeugen nur aus zwei Stuben und einem einfachen Lehmboden besteht?

Der am 8. April 1904 in Daufenbach geborene Emil Cahn. Die Fotografie dürfte in den 1920er Jahren entstanden sein. (Quelle: https://stolpersteine.wdr.de/web/de/stolperstein/10603)
Todesfall

Am 30. Juni 1915 wird die in Puderbach lebende Eva Tobias am Puderbacher Amt vorstellig. Dem zuständigen Beamten, es handelt sich um Bürgermeister Ermisch, teilt sie mit, daß die gerade fünfzigjährige Jette Cahn in ihrem Haus in Daufenbach verstorben ist. Sie selbst war zum Todeszeitpunkt zugegen, hat die Sterbende in ihren letzten Stunden begleitet. Auch die minderjährigen Kinder werden an ihrem Sterbebett gewacht haben. Nur der Ehemann scheint nicht dabei gewesen zu sein. Ob er zum Zeitpunkt des Todes beruflich auf Reisen war? Oder diente er als Soldat an den Fronten des 1. Weltkriegs? Wir wissen es nicht genau.

Zweite Ehefrau

Fünf Jahre später, am 6. Mai 1920, heiratet Max Cahn erneut. Seine Braut ist die 35jährige Henriette Daniel. Geboren am 8. September 1884 in Oberdreis ist sie die Tochter des Handelsmann Daniel Daniel und seiner Frau Julie geborene Veit. Vor dem Standesbeamten erscheinen neben den Brautleuten auch die Trauzeugen, der in Puderbach ansässige Viehhändler Tobias Tobias sowie Henriettes Bruder Albert Daniel.

Diese Aufnahme Henriette Cahns entdeckte ich bei meiner Recherche im Archiv der Puderbacher Verbandsgemeindeverwaltung. Sie stammt aus dem Jahr 1939 und ist dem Antrag auf Auststellung eines Reisepasses beigefügt.
Henriette wirkt ernst, man meint ihr die Beschwernisse der letzten fünf Jahre unter der nationalsozialistischen Herrschaft abzuspüren. Nur wenige Monate liegt die sogenannte „Reichskristallnacht“ zurück, in der Nazis unter Beteiligung der Zivilbevölkerung vandalierend durch die Straßen zogen und u.a. das Haus der Cahns in Daufenbach derart verwüsteten, daß es unbewohnbar wurde.
Die Ausreise scheint die einzige Rettung zu sein. Laut den Unterlagen versucht die fünfköpfige Familie über Rotterdam, dort lebt Juliane, die jüngste Tochter aus 1. Ehe, nach Palästina auszuwandern. Im gelobten Land hat Henriettes Bruder Albert Zuflucht gefunden. Letztlich werden alle Bemühungen vergeblich sein.


Max Kinder aus 1. Ehe sind zum großen Teil erwachsen und schlagen eigene Wege ein. Auf Ihren weiteren Lebensweg  möchte ich an späterer Stelle eingehen. Mit seiner 2. Ehefrau Henriette bekommt er drei weitere Kinder, den am 8. April 1922 geborenen Günther, gefolgt von Josef (19. März 1924) und der jüngsten Tochter Gerda (21. April 1925).

Leider liegt mir dieses Foto der Daufenbacher Schulklasse nur als Kopie vor und somit in schlechter Qualität. Enstanden sein dürfte das Bild um 1934 und unter den Schülerinnen und Schülern befinden sich die drei Cahn-Kinder. Es ist die einzige mir bekannte Aufnahme, die den 1922 geborenen Günther zeigt, hier mit der Nummer 1 markiert. Weiter rechts sehen wir mit der Nummer 2 Josef und mit der Nummer 3 Gerda Cahn.
An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei Frau Annette Wagner, langjährige Ortsbürgermeisterin der Gemeinde Dürrholz, sowie bei Herrn Martin Schäfer bedanken. Sie waren so freundlich, mir einige Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Unter ihnen waren die beiden Schulbilder mit den Kindern des „Maxen-Jupp“, wie Meyer Cahn von den Daufenbachern auch genannt wurde. In der 3. Reihe sehen wir ganz links Josef und etwas weiter rechts, als 7. v.l., Gerda Cahn. Es sind, neben den Unterlagen der Puderbacher Verbandsgemeindeverwaltung, die einzig noch erhaltenen Dokumente, die von der Existenz der jüdischen Familie zeugen.
Jahre der Tyrannei und Entrechtung

Ist die finanzielle Situation der Familie Cahn schon vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten präker, so spitzt sie sich 1933 weiter zu. Durch den Boykott jüdischer Geschäfte und Betriebe kaufen nur noch wenige Maxs Ziegen, Schaf-und Kälberfleisch bzw. deren Felle. Auch auf den Viehmärkten wird der Handel für Juden immer stärker eingeschränkt. Exemplarisch sei der in Adenau im Kreis Ahrweiler genannt. Hier werden seit dem 18. September 1935 Kontrollzettel ausgegeben, wobei die Tiere der jüdischen Händler einen gelben und die der anderen Bauern einen roten erhalten. Auch die Gatter zum Anbieten der Tiere werden zunächst den „arischen“ Landwirten vorbehalten. So oder so ähnlich mag es auch auf dem Steimeler oder einem anderen Westerwälder Markt zugegangen sein. Am 25. Januar 1937 erfolgt dann das generelle Berufsverbot für jüdische Viehhändler.

Angezeigt und verurteilt

Wer mag es gewesen sein, der Max Cahn im Februar 1937 wegen der Schlachtung eines Tieres zur Anzeige bringt? Bereits am 23. desselben Monats erfolgt die Verurteilung durch die kleine Strafkammer Neuwied. Die vermeintlich nachgewiesenen Vergehen lauten: 1. Aufbewahrung eines Kriegsgeräts u. Schächten eines Tieres, 2. Inverkehrbringung von Fleisch ohne Untersuchung, 3. Nichteichung einer Waage, 4. Betrieb eines Gewerbes ohne Anzeige u. ohne Genehmigung. Die Strafe fällt drakonisch aus. Man verurteilt den 63jährigen zu einer Gefängnisstrafe von 2 Monaten und einer Woche.

Juni-Aktion 1938

Als wären die Lebensumstände nicht schon schwer genug, die Cahns sind in solche finanzielle Nöte geraten, das sie auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, erfolgt der nächste Schicksalsschlag. Am frühen Morgen des 14. Juni 1938 wird Max vom örtlichen Polizeibeamten in Gewahrsam genommen. Grund ist der von SS-Obergruppenführer Reinhold Heydrich herausgegebene Erlass der sogenannten „Vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“, auch „Aktion Arbeitsscheu Reich“ genannt. Neben Landstreichern, Bettlern, Zuhältern, Vorbestraften und Sinti u. Roma werden, auf ausdrücklichen Wunsch Hitlers, auch Straffällige jüdischer Religion festgenommen.

Noch heute befinden sich die Dokumente zur „Aktion Arbeitsscheu“ im Archiv der Puderbacher Verbandsgemeindeverwaltung. Der zuständige Beamte hatte damals alle relevanten und durchzuführenden Punkte mit einem Stift markiert. Neben erkennungsdienstlichen Material war ein Strafregisterauszug und ein Lebenslauf den Unterlagen beizufügen. Die Festgenommenen sollten in das schon damals gefürchtete Konzentrationslager Buchenwald verbracht werden.

Besonders menschenverachtend ist der vom zuständigen Amtsbürgermeister Günther verfasste Lebenslauf. Er schreibt u.a.:

„Solange Cahn in Daufenbach wohnt, ist er als fauler, arbeitsscheuer Mann bekannt. Den Viehhandel hat er immer nur soweit ausgeübt, daß er mit dem Ertrag seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte. (…) Cahn machte trotz seines geringen Einkommens immer einen wohlgenährten Eindruck; es war mit Bestimmtheit anzunehmen, daß er sich noch Einkommen bzw. Lebensmittel auf dunklem Wege beschaffte.“

Am 15. Juni überstellt man Meyer Cahn an einen zuständigen Amtsarzt beim Staatlichen Gesundheitsamt in Neuwied, der den 64jährigen für lagerhaftfähig erachtet. Erst einem einsichtigen und mitfühlenden Beamten der Kriminalpolizeileitstelle in Köln ist es zu verdanken, daß Max am 20. Juni wegen mangelnder Einsatzfähigkeit mit sofortiger Wirkung aus der polizeilichen Vorbeugehaft entlassen wird.

Novemberpogrom 1938

Die gewaltsamen Auschreitungen gegen jüdische Bürger und ihren Besitz, die in Puderbach bereits seit den frühen Morgenstunden des 10. November 1938 laufen, dürften sich auch im benachbarten Daufenbach herumgesprochen haben. Als Vorwand für diesen unmenschlichen Exzess dient der Mord an Ernst Eduard von Rath. Drei Tage zuvor hatte der polnische Jude Herschel Grünszpan in Paris den französichen Botschaftsangestellten durch mehrere Schüsse so schwer verwundet, daß er seinen Verletzungen erlag.

Wie mögen die Cahns auf die furchteinflößenden Nachichten aus Puderbach, Urbach und Rodenbach reagiert haben? Eilt Henriette zum Schulgebäude, um ihre jüngste Tochter Gerda frühzeitig aus dem Unterricht zu holen? Verbringt die Familie bange Stunden der Ungewissheit in ihrem Haus in der Bohnengasse?

Die mir vorliegenden Ereignisberichte zum Novemberpogrom, zwei Beiträge im Heimat-Jahrbuch des Landkreises Neuwied von Herrn Gerhard Ebbinghaus (1989) und Herrn Manfred Faust (2010), geben den weiteren Verlauf der Geschehnisse unterschiedlich wieder. Laut Herrn Ebbinghaus versuchen bereits im Laufe des vormittags „linientreue Jugendliche, die Fenster der Familie Cahn einzuwerfen und einzuschlagen“. Es ist wohl dem beherzten Einsatz des ansässigen Schmieds K. Bachenberg zu verdanken, daß dies unterbleibt. Laut den Ausführungen von Herrn Faust treffen die zerstörungswütigen Männer, ein Trio unter dem Ortsgruppenführer Hans Piorek, am späten Nachmittag in Daufenbach ein, bereit, daß kleine Häuschen nebst Inventar zu verwüsten. Doch in diesem Moment greift wieder der Schmied Bachenberg und weitere Dorfbewohner ein. Sie erklären die Aktion von staatlicher Stelle für beendet und stellen sich schützend vor ihre Nachbarn.

Doch diese Versuche, das Anwesen der Cahns vor der Zerstörung zu schützen, bleiben erfolglos. Trotz des beherzten Eingreifens Daufenbacher Bürger gelingt es willigen Helfern der Nazis das Häuschen der Cahns derart zu demolieren, daß es unbewohnbar wird.

Die einzig existierende Aufnahme von „Max“ Meyer Cahn. Sie ist dem Formular auf Auststellung eines Reisepasses beigefügt, den die Familie im März 1939 beantragt. Hinter ihm liegt ein Berufsverbot, eine ungerechte Zuchthausstrafe, die Verhaftung während der sogenannten „Aktion Arbeitsscheu“ und die Ausschreitungen während des Novemberpogroms, bei der sein Wohnhaus zerstört wird.
Umzug nach Puderbach

Dank der erhaltenen Unterlagen im Puderbacher Verbandsgemeindearchiv wissen wir, daß die Cahns, sowie die wohnungslos gewordene Familie Jakob aus Urbach zunächst eine neue Bleibe im Wohn- und Geschäftshaus der Familie Wolff auf der Puderbacher Mittelstraße finden. Doch 1940 kündigt der neue „arische“ Besitzer den Mietvertrag auf und verlangt, daß sie innerhalb von 7 Tagen das Haus räumen sollen. Der neue Eigentümer beruft sich vermutlich auf das am 30. April 1939 eingeführte „Gesetz über Mietverhältnisses mit Juden“, das faktisch den Mieterschutz für jüdische Bürger aufhebt.

Natürlich ist es den beiden Familien in so kurzer Zeit nicht gelungen, eine neue Wohnung zu finden, sodas sie sich am 5. Juni immer noch im Haus der „Jiddsches“ aufhalten. Nun wird die Gemeindeverwaltung aktiv und prüft, ob man das leer stehende Fachwerkhaus der Rosa Aron, sie ist bereits im September 1939 zu ihrem Bruder nach Gießen gezogen, ankaufen und zum „Judenhaus“ umfunktionieren kann. Tatsächlich kommt es zu einer Einigung und die Cahns und die Jakobs können in das kleine Häuschen an der Steimeler Straße einziehen. Später finden auch die drei ledigen Geschwister Levi aus Urbach hier einen Unterschlupf.

In regelmäßigen Abständen muß die Puderbacher Amtsverwaltung dem Landrat in Neuwied Bericht erstatten, wieviele jüdische Bewohner sich in ihrem Bezirk noch aufhalten. Unter den dreizehn Personen dieser Auflistung vom 19. Februar 1941 befinden sich auch Max, Henriette, Günther und Gerda Cahn. Zusammen mit den Ehepaar Sigmund und Else Jakob und den ledigen Geschwistern Jakob, Karoline und Sara Levi, alle aus Urbach, leben sie seit 1940 in dem kleinen Fachwerkhäuschen der Witwe Aron an der Steimeler Straße. Besonders perfide ist der Kommentar über die in diesem Hause lebenden Menschen. Der Beamte schreibt: „Die Juden zu 5) bis 13) leben in schlechten wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Verhältnissen. Vielfach unsauber zeigen sie in vieler Beziehung – auch was Arbeitswillen anbetrifft – den asiatischen Typus…“
Welch ein Hohn! Wer hat sie denn aus dem wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben ausgeschlossen? Wer hat sie denn jedweder Lebensgrundlage beraubt?
Zwangsarbeit

Das der bereits 66jährige Max Meyer Cahn Zwangsarbeit ableisten muß, gehört nur zu einer der großen Ungerechtigkeiten dieser Zeit. Gerade mal 40 Pfennig pro Stunde zahlt der Bauunternehmer Müller in Woldert für seine Arbeitskraft. Auch die Molkerei in Raubach, bei der er danach zwangsverpflichtet wird, entrichtet nicht mehr als diesen Hungerlohn. Er sieht sich gezwungen, bei der Reichsvereinigung der Juden in Köln, eine Wohlfahrtsunterstützung zu beantragen.

Judenstern

Am 1. September 1941 ergeht an alle noch verbliebenen jüdischen Einwohner Deutschlands die besonders erniedrigende Verordnung zum Tragen eines gelben Judensterns. Auch den Cahns, Levis und Jakobs an der Steimeler Straße ist es nicht mehr erlaubt, ohne dieses auf Brusthöhe angenähte, handtellergroße Zeichen das Haus zu verlassen.

Abgemeldet nach

All meine Bemühungen, dem weiteren Leidensweg der fünfköpfigen Familie Cahn nachzuverfolgen, blieben erfolglos. Weder das NS-Dokumentationszentrum in Köln mit seinem Verzeichnis der Deportierten aus der Rheinmetropole und aus dem Gebiet des Rheinlands, noch die Internationale Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem mit ihrer Zentralen Datenbank der Opfer der Shoah, führt die Namen von Max, Henriette, Günther, Josef und Gerda. Das Einzige was bleibt, sind die im Puderbacher Verbandsgemeindearchiv erhaltenen Abmeldedaten der fünfköpfigen Familie.

Bereits am 12. November 1939 verlässt Josef Cahn Puderbach in Richtung Köln. Ob er dort bei Verwandten der Familie unterkommt? Erhält er hier seinen Bescheid zur „Umsiedlung“ in den Osten?

Für den 1. August 1941 notiert das Register den Wegzug von Gerda Cahn nach Nordrach im Schwarzwald. Das gesundheitlich angeschlagene Mädchen findet im dortigen Rothschild-Sanatorium für Lungenkranke eine neue Bleibe. Wann genau sie von dort in die Vernichtungsstätten im Osten deportiert wird, ist nicht bekannt.

Am 30. März 1942 erfolgt die Abmeldung von Max, Henriette und Günther Cahn. Gemeinsam mit den Geschwistern Levi aus Urbach verziehen sie nach „unbekannt“. Vermutlich werden sie einem der Deportationszüge zugeteilt, die Deutschland in Richtung Polen verlassen. Dort, in den elenden Ghettos von Izbica und Krasniczyn, den Vernichtungslagern Sobibor und Majdanek verliert sich ihre Spur.

Die Kinder aus erster Ehe

Und was geschah mit Max Cahns Kindern aus erster Ehe? Auch an ihr Schicksal und das ihrer Familien soll hier erinnert werden. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf Sigmund, Emil und Juliane, da deren weiterer Lebenslauf durch entsprechende Unterlagen eingehend dokumentiert ist.

Alfred und Friederike Cahn

Keine Informationen liegen mir zu dem 1903 geborenen Alfred und der zwei Jahre jüngeren Schwester Friederike vor. Es mag sein, daß die beiden im Kindesalter verstorben sind.

Markus Cahn

Mehr wissen wir über den frühen Tod des 1902 geborenen Markus Cahn. Der einfache Arbeiter wird im Dezember 1923 Opfer eines Willkürakts der französisch-belgischen Besatzungsarmee. Vermutlich auf dem Bahnhof Koblenz-Lützel wird er von Soldaten erschossen. Solche Vergehen sind, laut den Akten des Preußischen Geheimarchivs, keine Seltenheit in diesen Jahren.

Link:

https://archivdatenbank.gsta.spk-berlin.de/midosasearch-gsta/MidosaSEARCH/i_ha_rep_77/index.htm?kid=GStA_i_ha_rep_77_6_3_1_9_3_4&uid=GStA_i_ha_rep_77_I_HA_Rep_77_Tit_4041_d_Nr_9

Julius Cahn


Hier sei an den 1899 geborenen Julius erinnert, der älteste Sohn von Max und Rieka Cahn. Er kann sich während des 2. Weltkriegs in Belgien vor den nationalsozialistischen Häschern verstecken. Nach Kriegsende wird er seinem Geburtsort Daufenbach des Öfteren einen Besuch abstatten. Am 24. Juli 1979 verstirbt er achtzigjährig im baden-württenbergischen Stuttgart.

Juliane Cahn verh. Braunberger

Die jüngste Tochter Juliane, Jahrgang 1910, heiratet am 9. Juni 1937 in Rotterdam den Niederländer Jakob Just Braunberger. Es mag sein, daß sich das Paar über Julianes Tante Amalie Cahn verheiratete Van Straten kennengelernt hat, die seit Ende der 1920er Jahre im holländischen Zaltbommel lebt. Durch diese Heirat ist Juliane zunächst vor dem Zugriff der Nazis sicher. Doch am 10. Mai 1940 überfallen deutsche Truppen den bisher neutralen Staat. Fünf Tage später unterschreibt General Winkelman die Kapitulationsdokumente. Im Oktober desselben Jahres prasseln die ersten antijüdischen Gesetze und Verordnungen auf die jüdische Bevölkerung nieder. Dann, im Juli 1942, finden die ersten Deportationen in die Ostgebiete statt. Vom Durchgangslager Westerbork aus werden die beiden am 28. September 1942 ins KZ Auschwitz transportiert. Zwei Tage später trifft der Zug mit 610 Männern, Frauen und Kindern im Vernichtungslager ein. Ob Juliane und ihr Mann an der Rampe ins Arbeitslager oder direkt in die Gaskammern selektiert werden, ist nicht bekannt. Der 30 September ist ihr offizielles Sterbedatum.

Links:

https://www.joodsmonument.nl/en/page/127611/juliane-braunberger-cahn

https://www.oorlogsbronnen.nl/tijdlijn/Juliane+Braunberger+Cahn/57/130266725

Sigmund „Sally“ Cahn

Der im Jahr 1900 geborene Sigmund, auch Sally genannt,  heiratet um 1930 die aus Gräfenhausen bei Darmstadt stammende Henny Collin. Das Paar bekommt drei Söhne, Karl (18.03.1931), Jakob Günther (22.06.1932) und Manfred (13.04.1935). Zusammen mit seiner verwitweten Schwiegermutter Berta Collin führt er ein Geflügel- und Milchwarengeschäft nebst Metzgerei. Mit Inkrafttreten der Verordnungen zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben und dem Einsatz jüdischen Vermögens im Jahr 1938 wird die Familie gezwungen, den Laden zu schließen und ihr Haus in der Steinstraße zu verkaufen. Um den Zugriff der Nationalsozialisten zu entgehen, emigrieren die Cahns am 14. März 1939 in die Niederlande. Dort lebt, wie oben bereits erwähnt, Sigmunds Schwester Juliane sowie seine Tante Amalie van Straten. Doch bereits 1940 erfolgt die gewaltsame Okkupation durch deutsche Truppen. Vermutlich 1943 wird die fünfköpfige Familie in das Durchgangslager Westerbork verbracht.

Hier sehen wir Sigmunds Schwiegermutter, die 1880 in Klein-Gerau geborene Berta Collin geb. Gottschalk mit ihren beiden Enkelkindern Günther und Karl Cahn. Berta Collin zog nach der erzwungenen Geschäftsaufgabe und dem zwangsweisen Hausverkauf von Gräfenhausen nach Frankfurt am Main. Im November 1941 erfolgte von dort die Deportation ins Konzentrationslager Kauen/Kowno, wo alle Verschleppten sofort ermordert wurden. (Quelle Bild: Heimatverein Gräfenhausen-Schneppenhausen, Karin Klingler)

Von dort erfolgt am 18. Januar 1944 die „Umsiedlung“ ins Ghetto Theresienstadt. Bereits im Oktober 1941 hatte die sogenannte Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Prag beschlossen, die im 18. Jahrhundert erbaute Garnisonsstadt im heutigen Tschechien als Durchgangslager zu nutzen. Die Lebensumstände in diesem Ghetto sind kathastrophal. Es mangelt an Nahrungsmitteln und es fehlen Medikamente. Krankheiten grassieren und es herrscht eine drangvolle Enge. Zudem kommt die ständige Angst vor der Deportation in den Osten. Wie gelingt es Sigmund unter diesen Umständen, seine Frau und die drei kleinen Kinder acht Monate durchzubringen?

Am 28. September 1944 beginnt die Deportation von rund 18.500 Personen, die sich noch in Theresienstadt aufhalten. Die Zeitzeugin und Überlebende Ada Levy berichtet 1946 über die unmenschlichen Bedingungen dieses Transports, bei dem 2499 Personen in Viehwaggongs gepferscht werden, unter ihnen Sigmund, Henny und die drei Kinder. Sie schreibt:

Die grauenhaften Zustände dieses (…) Transports brachten uns völliger Verzweiflung und dem Tode nahe. Es schien uns der Höhepunkt des Schrecklichen – denn konnte es noch Schrecklicheres geben? (…) Nach dieser Todesfahrt, ins völlig Ungewisse, ohne Luft, ohne Wasser, ohne Licht, gedrängt aneinander stehend, oft zwischen Toten, wurden wir nachts ausgeladen, nicht ahnend, wo wir waren, im Stile der SS mit Knüppeln empfangen. Männer und Frauen sofort getrennt (…) Da ertönte das barsche Kommando: ‚Frauen zu zweit vormarschieren‘ und vor uns stand im hellen Scheinwerferlicht ein SS-Mann, der durch Fingerzeig aussortierte: rechts-links-rechts-links. Ich musste zur linken Seite und wusste nicht, das dieses meine erste Glückssekunde sein sollte. (…) Wir wurden dann in der Nacht zu einem Marsch über die Landstrasse angetrieben, unterwegs rollten die Lastwagen mit unseren Kammeradinnen an uns vorüber. Wir mit Schmerzen und Übermüdung uns kaum auf den Beinen haltend, nur getrieben von den Knüppeln der Bewachung, wären gerne dabei gewesen, ohne zu ahnen, dass für die auf den Lastwagen stehenden es die Fahrt in den Tod bedeutete: NIE wieder hat man je etwas von ihnen gesehen oder gehört.

Henny und die Kinder kommen vermutlich kurz nach Ankunft des Zuges in den Gaskammern von Auschwitz ums Leben. Laut Unterlagen des Durchgangslagers Westerbork stirbt Sigmund am 28. Februar 1945 höchstwahrscheinlich an den Folgen der unmenschlichen Lagerhaft, einen Monat nach Befreiung durch Soldaten der Roten Armee.

Besonders berührt hat mich die Geschichte des 1904 geborenen Emil Cahn und seiner Familie. Am 11. Mai 1925 heiratet der gelernte Schuhmacher die in Köln geborene Irene Löwenstein. Das Paar zieht im Anschluß nach Wesseling im Rhein-Erft-Kreis. Dort kommen die drei gemeinsamen Kinder zur Welt, am 25. August 1925 der älteste Sohn Joseph, gefolgt von Kurt (10.04.1929) und der jüngsten Tochter Hannelore (31.05.1935). Seit der Machtergreifung der Nationalsozialisten werden die Lebensumstände für die Familie immer schwieriger.

Eine Aufnahme des 1925 geborenen Joseph Cahn enstanden um 1940. Diese Aufnahme, sowie die Bilder von Kurt und Hannelore Cahn müssen in einem der jüdischen Waisenhäuser enstanden sein, die die Kinder während ihres Aufenthalts in den Niederlanden durchlaufen haben. (Quelle: https://www.dokin.nl/deceased_children/joseph-cahn-born-25-aug-1925/)

Dann, am 9. November 1938, wird Emil im Zuge der Reichspogromnacht verhaftet und in die Abtei Brauweiler bei Pulheim gebracht. Seit 1933 nutzt die Kölner Gestapo den früheren Klosterbau als Arbeitsanstalt und Gefängnis. In zwei Bahntransporten verbringt man rund 600 jüdische Männer in das berüchtigte Konzentrationslager Dachau bei München. Im Zusammenhang mit dem Novemberpogrom werden deutschlandweit rund 60.000 Personen in den Lagern Buchenwald, Sachsenhausen und Dachau inhaftiert.

Die Ankunft in den KZs beschreibt eindringlich der damals 50jährige Berliner Rechtsanwalt Franz Memelsdorff, der am 11. November verhaftet und im Anschluß ins Konzentrationslager Sachenshausen bei Oranienburg gebracht wird. Er schreibt:

„»Ihr Judenschweine, wollt Ihr wohl herauskommen?!« Das war das Erste,was ich hörte. »Na, wird’s bald mit euch vollgefressenen Arschlöchern? Kommt nur herunter, ihr Mistviecher!« (…) Vor dem Ausgang des Lastwagens standen etwa ein Dutzend Männer in grau-grünen Uniformen, am Kragen die beiden SS-Zeichen, junge Leute, jeder mit einer Peitsche oder einem Stock »bewaffnet«. Alle hieben wahllos auf die Menschen, die aus dem dunklen Loch herauskamen, mit aller Kraft ein. Vor mir stürzte ein Mann, er wurde mit Füßen bearbeitet. »Wollt ihr wohl die Hüte abnehmen, ihr Judenlümmel?! Wollt ihr wohl laufen, ihr Schweine?!«, hörte ich rufen. »Ihr wisst wohl nicht, dass ihr ins Konzentrationslager kommt?« (…) Von lauter Uniformierten war eine Gasse gebildet, die man passieren musste. Von rechts und links hagelten die Hiebe. Viele dieser Leute stellten den Juden ein Bein, nicht wenige fielen hin und wurden dann mörderisch zugerichtet, ich entging diesem Schicksal, einmal sprang ich über das hingehaltene Bein eines Uniformierten. Aber Prügel habe ich eine Menge bezogen, als ich die etwa 500 m durchlaufen hatte und das riesengroße Tor erreichte, das den Eingang des Konzentrationslagers Sachsenhausen bildet.“

Es folgt ein nicht enden wollender Zählappell, ohne Essen, ohne Austreten zu dürfen und bei empfindlich kühlen Temperaturen. 23 Stunden dauert dieses Martyrium. Danach führt man sie in die Baracken. Die kommenden Wochen sind von, Schikanen, Schlägen und Zwangsarbeit geprägt. So ähnlich mag es Emil Cahn während seiner dreimonatigen Gefangenschaft in Dachau ergangen sein.

Irene hat inzwischen den schweren Entschluß gefasst, sich von den Kindern zu trennen und Joseph, Kurt und Hannelore zu ihrer Schwägerin Juliane nach Rotterdam zu schicken. Dort scheinen sie in vermeintlicher Sicherheit zu sein. Am 7. Februar 1939 treffen die drei bei ihrer Tante ein.

Der ungefähr elf Jahre alte Kurt Cahn. (Quelle: https://www.dokin.nl/deceased_children/kurt-cahn-born-10-apr-1929/)

Nach der Entlassung aus dem KZ Dachau am 13. Februar 1939 ziehen Emil und Irene nach Köln in ein sogenanntes „Judenhaus“ am Großen Griechenmarkt. Wie durch ein Wunder gelingt ihm von dort die Emigration nach London. Er meldet sich freiwillig bei der britischen Armee und darf daraufhin einreisen. Von hier aus versucht er, seine Frau und die drei Kinder nach Großbritannien zu holen.

Joseph, Kurt und Hannelore werden nach einem mehrmonatigen Aufenthalt bei den Braunbergers in die Obhut des jüdischen Waisenhauses  „Help For Weezen“ (Ezer Jatom) in Den Haag gegeben. Am 8. September 1940 erfolgt der Wechsel in das israelitische Kinderheim in Utrecht. Joseph beginnt in dieser Zeit seine Ausbildung zum Tischler. Auf den Fotografien, die in dieser Zeit von den Dreien entstehen, wirken sie gelöst und heiter.

Die ungefähr fünf Jahre alte Hannelore Cahn. (Quelle Bild: https://www.dokin.nl/deceased_children/hannelore-cahn-born-31-may-1935/)

Doch am 12. Februar 1942 werden die drei ins Zwischenlager Westerbork deportiert. Zwei Jahre werden sie dort verbringen. Trotz der drangvollen Enge in den Baracken und den mangelnden hygienischen Verhältnissen existiert ein geregelter Lageralltag. Mit den eigens für das Camp hergestellten Banknoten kann man einkaufen. Es gibt Unterricht für die schulpflichtigen Kinder und die Erwachsenen können z.T. einer Arbeit nachgehen. Selbst Theater- und Konzertaufführungen finden statt. Ein fast „normales“ Leben, wäre da nicht die permanente Angst vor den Deportationen Richtung Osten.

Am 4. September 1944 verlässt ein Transport mit 2074 Personen Westerbork in Richtung Ghetto Theresienstadt, unter ihnen Josef, Kurt und Hannelore Cahn. Die Überlebende Ilse Blumenthal berichtet über die Fahrt in Viehwaggongs, die mehr als 30 Stunden dauert, wie folgt:

„Wir haben keine Möglichkeit, uns zu bewegen. Wir sitzen stumm, gebückt und dicht gedrängt nebeneinander (…) und dann hält der Zug endgültig an. (…) Befleckt, verängstigt, todmüde taumeln die Menschen aus den Waggongs, die sich endlich auf dem Bahnsteig geöffnet haben.“

Treffen sie ihre Mutter wieder, die 1944 ebenfalls dorthin deportiert wurde? Stoßen sie auf ihren Onkel Sigmund und dessen Familie?

All die Jahre waren die Geschwister nie voneinander getrennt. Doch drei Wochen nach Ankunft in Theresienstadt, am 23. September 1944, deportiert man Kurt und Hannelore ins Vernichtungslager Auschwitz. Vermutlich werden beide nach ihrer Ankunft selektiert und umgebracht. Josephs Transport geht am 29. September Richtung Auschwitz ab. Seine Spur verliert sich im Januar 1945 im Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar, wohin man viele Gefangene nach Auflösung des Lagers in Polen verschleppt hat.

Wann erfährt Emil, daß seine Kinder den Holocaust nicht überlebt haben? Wann erhält er Nachricht von seiner Frau, die das Ghetto Theresienstadt überstanden hat?

Die Gründe mögen vielfältig sein, warum sich Irene und Emil Cahn 1948 scheiden lassen. Einer liegt in der langen Trennung ab 1939. Irene lernt in dieser Zeit, als sie sich in Köln verstecken muß, Moritz Brunner kennen, mit dem sie zwei weitere Kinder bekommt. Angehängt finden Sie ein Interview, das Ihre Tochter, die 1943 zur Welt kommt, der Frankfurter Rundschau gibt. Niemand kann die Lebensumstände besser schildern als sie.

https://www.fr.de/panorama/rettete-leben-11391910.html

Emil, der sich inzwischen Eric Caley nennt, heiratet im Juli 1949 die ebenfalls emigrierte Östereicherin Fanni Herzog. Neun gemeinsame Jahre verbleiben den beiden, bevor er am 23. Dezember 1958 mit gerade mal 54 Jahren in London verstirbt.

Links:

https://stolpersteine.wdr.de/web/de/stolperstein/10603

(Gesamtbeitrag fertiggestellt am 21. Juni 2024)

Dernbach

Am 19. August 1926 unternehmen die Schülerinnen und Schüler der Volksschule in Dernbach einen Ausflug mit ihrem Hauptlehrer Herrn Schmidt. Die Spritztour führt sie u.a. ins 30 Kilometer entfernte Koblenz. Hier sehen wir die Kinder auf den Stufen des Kaiser-Wilhelm-Denkmals stehen am sogenannten Deutschen Eck, dem Zusammenfluß von Mosel und Rhein.
Glücklicherweise konnte ich durch eine Fotografie in der Festschrift zum 700jährigen Bestehen Dernbachs einige Schulkinder namentlich zuordnen. Durchnummeriert sind zu sehen 1 Alfred Hoffmann, 2 Oskar Ahlbach, 3 Philipp Zeiler, 4 Fritz Stein, 5 Hertha Puderbach, 6 Erna Bamberger, 7 Änni Schneider, 8 die nach Puderbach verheiratete Irmgard Weber geb. Kaul und 9 Herrn Schmidt, der von 1907 bis 1945 als Lehrer tätig war. Doch wer sind die anderen Dernbacher Kinder? Über Ihre Hilfe bei der Zuordnung würde ich mich sehr freuen! (Beitrag vom 10.07.2022)

Dierdorf

Eine wunderschöne Postkarte, die am 31. Juli 1905 geschrieben und verschickt wurde, zeigt die Sehenswürdigkeiten der Stadt Dierdorf um das Jahr 1900. Neben der herrlichen Totalansicht mit einer Dampflokomotive im Vordergrund sieht man oben links die Schloßruine der Fürsten zu Wied-Runkel, die auf Grund ihrer Baufälligkeit bereits 1902 gesprengt wurde und die der Kartenschreiber nicht gesehen haben kann. Ein Meilenstein für die ärztliche Versorgung der Region war die Gründung des Johanniter-Hospitals im Jahr 1886. Ein koloriertes Bild zeigt den alten Krankenhausbau sowie die gleichnamige Johanniterstraße mit ihren Häusern und Geschäften. Wo sich das Kriegerdenkmal für die Gefallenen des deutsch-französischen Krieges befand, weiß ich leider nicht. Vielleicht kann mir da ein gebürtiger Dierdorfer helfen.

Untertorturm

Eine alte Aufnahme aus Dierdorf aus dem Jahr 1905. Zu sehen ist der sogenannte Untertorturm mit der gleichnamigen Straße im Vordergrund. Der imposante Wehrturm gehörte zu der Ende des 14. Jahrhunderts errichteten Befestigungsanlage der Stadt.
Kaum verändert hat sich diese Ansicht. Zu sehen ist der Untertorturm aus südöstlicher Richtung. Noch heute führt dieser wunderschöne, baumbestandene Fußweg über den Damm entlang. Die künstlich errichtete Wallanlage sollte die Stadt vor einem etwaigen Hochwasser des Holzbachs schützen. Auf dem Wiesengrundstück wurde vermutlich in den 1960er Jahren ein Spielplatz errichtet, zudem erinnert heute an dieser Stelle eine Gedenktafel an die jüdischen Einwohnerinnen und Einwohner, die während der nationalsozialistischen Herrschaft vertrieben und ermordet wurden. Die Fotografie selbst stammt aus dem Jahr 1929. (Beitrag vom 7.08.2024)

Johanniter-Krankenhaus um 1940

Von zirka 1939 bis zu ihrer Hochzeit in den beginnenden 1950er Jahren ist die aus Puderbach stammende Wanda Frohn verh. Kaulbach in der Verwaltung des Dierdorfer Johanniter-Krankenhaus beschäftigt. Aus dieser Zeit stammen die nächsten drei Fotografien, die mir die Angehörigen freundlicherweise zur Verfügung gestellt haben. Hier nochmal meinen herzlichsten Dank dafür! Bei dieser Aufnahme, die um 1940 vor dem alten Krankenhausbau entstanden ist, sehen wir Wanda ganz links im dunklen Kleid mit einigen Krankenschwestern und anderen Pflegekräften. Wer könnten diese Damen des Personals sein? Erkennen Sie jemanden? (Beitrag vom 3. November 2021)
Einen wunderbaren Einblick in den Krankenhausalltag der 1940er Jahre bietet diese Fotografie. Wir sehen vor uns ein Behandlungszimmer des Dierdorfer Johanniter-Krankenhauses. An der linken Seite des Raumes bieten große Fensterfronten den behandelnden Ärzten genügend Licht und rechts daneben sorgen mehrere Waschgelegenheiten für die gebotene Hygiene. Ob der Saal auch für Operationen genutzt wurde? Die Liege kommt mir dafür zu provisorisch vor. Doch für Voruntersuchungen oder kleinere Eingriffe scheint der Raum geeignet. (Beitrag vom 3. November 2021)
Aus unserem heutigen Straßenbild sind die Diakonissen fast vollständig verschwunden. In früheren Zeiten jedoch erfüllten die Frauen, die sich der evangelischen Schwesterngemeinschaft angeschlossen hatten, eine wichtige soziale wie moralische Aufgabe. Auch im Dierdorfer Krankenhausalltag waren sie nicht wegzudenken. Hier sehen wir einige der Glaubensschwestern mit ihren markanten Hauben, dazu vier Wehrmachtsangehörige, die vermutlich für den Arbeitsablauf des 1939 eingerichteten Reserve-Lazaretts zuständig waren. Rechts stehend mit dunklem Kleid sehen wir die in der Krankenhausverwaltung beschäftigte Wanda Frohn verh. Kaulbach. Erkennen Sie weitere Personen auf dem Bild? (Beitrag vom 3. November 2021)

600 Jahrfeier Stadt Dierdorf

In der Woche vom 6. bis zum 15. Juli 1957 finden in Dierdorf die Festlichkeiten zur 600 Jahrfeier der Stadtrechtverleihung statt. Hier sieht man einen Abschnitt des Festumzugs, der sich gerade über die Neuwieder Straße bewegt.
Benutzt die Kraftpost
An dem Festumzug zur 600 Jahrfeier Stadt Dierdorf nehmen u.a. auch die Mitarbeiter der Deutschen Bundespost teil. Auf ihren Transparenten, die sie in die Kamera halten, werben sie für die unterschiedlichen Dienstleistungen des Unternehmens. Vom Postscheckkonto über das Postsparbuch bis hin zur Beförderung mit den Kraftpost-Bussen ist alles dabei.

Dierdorf in den 1960er Jahren

Eine Postkarte Dierdorfs, die aus den 1960er Jahren stammen müßte. Erkennen Sie die verschiedenen Straßenzüge, die auf der Ansichtskarte zu sehen sind? (Beitrag vom 19. November 2021)

Döttesfeld

Vor kurzem konnte ich diese alte Ansichtskarte von Döttesfeld im Internet ersteigern. Sie wurde 1909 verschickt und zeigt neben einer idyllischen Teilansicht des Dorfes den Gasthof Scharfenstein.
1897 erhielt Christian Scharfenstein, der Sohn des ansässigen Kolonialwarenhändlers, die Erlaubnis, eine Gast- und Getränkewirtschaft zu führen. Rund 50 Jahre später übernahm die nächste Generation die Geschäfte. Von 1948 bis 1972 führten Maria Bolländer geb. Scharfenstein und ihr Mann Willi den Gasthaus- und Hotelbetrieb erfolgreich weiter. Doch die Verhältnisse in der Urlaubsbranche hattten sich verändert. Verbrachten in den 1950er Jahren die Gäste des Hotels noch ihren Jahresurlaub hier, so wurden die Sehnsuchtsziele ab den 1960er Jahren weiter. Dem Sohn Rolf und seiner Frau Lilo , die ab 1972 die Geschicke des Gasthofs übernahmen, gelang es, den Betrieb erfolgreich auf den Erlebnistourismus umzustellen. 1988 eröffneten sie zudem die „Hui Wäller-Stube“, die die Dorfbewohner zu einem gemütlichen Feierabendbierchen einlud. 2014 fand der letzte Wechsel in der Leitung statt. Nun waren es die Brabenders in 5. Generation, die den Betrieb weiterführten.
125 Jahre nach Inbetriebnahme durch Christian Scharfenstein mußten die Brabenders 2022 die Gastwirtschaft zum größten Bedauern aller Döttesfelder schließen. (Beitrag vom 26.01.2024)
Ein wunderschöner Blick auf Döttesfeld aus den 1950er Jahren. Der Fotograf hat sich auf einer Wiese nördlich des Ortes aufgestellt, sodas man im Vordergrund den Flußlauf der Wied entdecken kann. In der Bildmitte links erkennt man das oben bereits erwähnte Hotel „Zum Wiedbachtal“.

Link:

https://www.hotel-zum-wiedbachtal.de/html/historie.html

Ehlscheid

Diese Postkarte von Ehlscheid, die 1918 verschickt wurde, wirbt bereits mit dem wohlklingenden Zusatz „Luftkurort“. Doch die offizielle Anerkennung als Ortschaft, die durch sein wohltuendes Klima der Gesundheit förderlich ist, findet erst 1963 statt. Das alte Fachwerkgebäude des früheren Gasthofs Krug ist noch heute eine Zierde des Dorfes. (Beitrag vom 3. November 2021)

Flammersfeld

Ein Blick auf Flammersfeld im Kreis Altenkirchen um das Jahr 1905. Die kleinere Aufnahme darunter zeigt die Gastwirtschaft und Metzgerei Kraus. Der Inhaber Gerhard Kraus kommt 1849 zur Welt und ist der Sohn des Bauern und Schuhmachers Maximilian Kraus und der aus Eichen stammenden Wilhelmine Christine geb. Heuberg. Besonders interessant ist das Schicksal seines älteren Bruders Karl. Er erblickt am 19. Februar 1847 das Licht der Welt. Der intelligente, feinfühlige und musisch begabte junge Mann übernimmt mit 20 Jahren die Zweitlehrerstelle an der Flammersfelder Volksschule neben dem Kirchspielsschulmeister Christian Ernst Strunk. Die körperlichen Züchtigungen Strunks, der seine Schüler gerne prophylaktisch vor dem Unterricht versohlte, müssen dem sensiblen Karl ein Graus gewesen sein. Nach der Teilnahme am Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 wandert er nach Chile in Südamerika aus, um dort an einer deutschen Schule als Musiklehrer sein Glück zu versuchen. Irgendwann bricht der Kontakt zur Familie im Westerwald ab. Erst durch die Nachforschungen seines Neffen Fritz Kraus erfährt die Familie, daß er geistig zerrüttet und finanziell ruiniert in der Stadt Talca gestorben ist.

Link:

https://argewe.lima-city.de/auswanderer/kraus_carl.htm

Fluterschen

Ein Gruß aus Fluterschen wurde hier im Jahr 1916 versendet. Neben einer Teilansicht der Ortschaft sieht man links unten die Kolonialwarenhandlung der Familie Krämer. Besonders interessant ist die Landschaftsaufnahme mit der Bezeichnung „Im Rauhen Stein“. Die Flurbezeichnung geht auf den gleichnamigen Felsen zurück, der sich noch heute zwischen den Ortschaften Amteroth, Oberwambach und Fluterschen befindet. Der Sage nach soll der Stein früher Teil der hinter ihr liegenden Bergkuppe gewesen sein. Die alten Germanen nutzten das Areal als Kultstätte und beteten hier zu ihren alten Göttern. Als jedoch die erste christliche Kirche bei Oberwambach ihre Glocke ertönen ließ, stürzte der heidnische Berghang in sich zusammen und der „rauhe Stein“ löste sich aus dem Felsmassiv. Noch heute soll sich das Felsstück zu mitternächtlicher Stunde um seine eigene Achse drehen und manch ein Besucher meint in seiner Nähe ein Raunen zu vernehmen. (Beitrag vom 7.02.2022)

Forstmehren

Wie an anderer Stelle bereits erwähnt, stammt ein Teil meiner Familie aus dem Altenkirchener Raum. Ein häufiger Besucher bei meinen Großeltern in Puderbach waren die sogenannten „Forstmehrener“, Otto und Luise Hottgenroth geb. Grollius und ihr Sohn Friedhelm. Sie können sich vorstellen, daß ich beim Kauf dieser alten Ansichtskarte an die drei denken mußte.
Zu sehen ist auf den drei Bildteilen eine Gesamtansicht des Dorfes aus östlicher Richtung, sowie die alte Mühle und die Gastwirtschaft von Heinrich Bellersheim.
Eine herrschaftliche Bannmühle wird in Forstmehren bereits im Jahr 1243 urkundlich erwähnt, wobei es sich bei dem Fachwerkbau auf der Fotografie um die „Neue Mühle“ handeln müßte, die vermutlich im 18. Jahrhundert errichtet wurde.
Bei der Wirtschaft Bellersheim bräuchte ich die geschätzte Hilfe aller gebürtigen Forstmehrener. Wo hat sich der Hof der Familie befunden und handelt es sich bei Heinrich Bellersheim um den früheren Vorsteher des Dorfes? Über Ihre Mithilfe würde ich mich sehr freuen! (Beitrag vom 29.06.2024)

Freirachdorf

1918 wurde diese Ansichtskarte von Freirachdorf als Feldpost nach Oldenburg verschickt. Zu sehen ist neben einer Dorfpartie der Gasthof Faust, wo der Oberstgefreite, der die Karte seiner Frau zukommen ließ, wohl übernachtet hat. Die Gastwirtschaft existierte bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts und wurde damals von Johannes Heinrich Wagner und seiner Frau Anna Maria geb. Schmidt geführt. Durch die Hochzeit der Tochter Katharina mit dem in Steinen an der Westerwälder Seenplatte geborenen Johannes Peter Ludwig Faust änderte sich auch der Name des Wirtshaus. Vermutlich übernahm bereits 1888 der älteste Sohn Adolph den Betrieb, da der Vater am 24. April desselben Jahres mit gerade mal 47 Jahren verstarb.
Nachtrag: Bald 100 Jahre noch existierte die Gastwirtschaft, bevor die Nachfahren der Fausts den Betrieb 2011 einstellten. Drei Jahre später ging das Gebäude an einen neuen Besitzer, der es zum Wohnhaus umfunktionierte. Baulich hat es sich jedoch kaum verändert. (Beitrag vom 7.08.2023)

Vermählung im Jahr 1932

Am 5. Februar 1932 traten der aus Freirachdorf stammende Karl Hoffmann und die in Roßbach geborene Lydia Selbach gemeinsam vor den Traualtar. Üblicherweise fand die Vermählung im Geburtsort der Braut statt, doch anscheinend hatten sich die Brautleute für die Evangelische Kirche in Freirachdorf entschieden.
Hier sehen wir das Brautpaar und die große Hochzeitsgesellschaft, wie sie gerade das Kirchengebäude verlassen. Wie im Westerwald üblich, trägt die Braut einen weißen Schleier mit Myrtenkranz, dazu ein schlichtes, schwarzes Kleid, das auch nach der Heirat für festliche Anlässe genutzt werden konnte. Der Bräutigam hat sich in einen feinen, dunklen Anzug mit Zylinder gekleidet, am Revers einen Myrtenzweig mit Schleife.
Zur Erinnerung an den Festtag entstand dieses Gruppenfoto, das einen Teil der weitverzweigten Familie der Braut zeigt.
Bei dem älteren Paar rechts neben den Brautleuten handelt es sich um die Eltern von Lydia Hoffmann geb. Selbach, den 1863 in Roßbach geborenen Heinrich Ludwig Selbach und seine zweite Ehefrau Katharina Ambrosius verwitwete Dick. Neben den gemeinsamen Kindern brachten die Eheleute Kinder aus 1. Ehe mit in die Verbindung, sodas die Schar auf insgesamt zwölf Mädchen und Buben anwuchs.
Ganz rechts sehen wir, von seinen vier Kindern und seiner Ehefrau Emilie geb. Ascheid umringt, Lydias Halbbruder Rudolf Selbach. Einen weiteren Halbbruder entdecken wir am linken Bildrand, den in Woldert geborenen Heinrich Dick, seine Ehefrau Lina geb. Saynisch (vor ihm sitzend) und ganz links deren gemeinsamer Sohn Kurt. Weitere Halbgeschwister sind Laura Michel geb. Selbach (direkt hinter den Brautleuten) sowie Julius Selbach und seine Frau Hermine (links hinter der Mutter Katharina).
Bei den übrigen Personen handelt es sich um die vollbürtigen Geschwister Lydias, die nach Raubach verheiratete Hedwig Fettelschoß (links hinter der Braut), den 1910 geborenen Bruder Werner Selbach (rechts hinter der Mutter), sowie die jüngste Schwester Ida verheiratete Nieß (hinter dem Vater).
Mein Dank geht an dieser Stelle an Frau Ulrike Udert aus Roßbach, die mir freundlicherweise das Bild ihrer Familie zur Verfügung stellte. (Beitrag vom 23.08.2024)

Großmaischeid

Der Postkartenschreiber von 1908 möge mir verzeihen, daß ich seine fein säuberlich geschriebenen Grüße, die jede freie Fläche der Vorderseite bedeckten, dank Fotobearbeitungsprogramm habe verschwinden lassen. So erhalten wir wieder einen unverfälschten Blick auf das alte „Gruußmäschd“. Unten links sehen wir die römisch-katholische Kirche St. Bonifatius, dessen Langhaus im Jahr 1876 durch ein neugotisches Querhaus ergänzt wurde. Der Turm stammt sogar aus romanischer Zeit und ihm zu Füßen liegt der mit alten Grabsteinen versehene Friedhof. Das Foto rechts unten zeigt die Warenhandlung der Familie Reuth, vor der sich eine große Zahl an kleinen und großen Dorfbewohnern eingefunden hat, die unbedingt mit abgelichtet werden wollen. Oben sehen wir einen Blick auf die gesamte Ortschaft. Liebe Großmaischeider, aus welcher Richtung ist der Ort oben zu sehen? (Beitrag vom 16. November 2021)

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