Der 1. Weltkrieg

„Es muß nun das Schwert entscheiden“

So rief Kaiser Wilhelm I. am 6. August 1914 in einem Aufruf zum Kriegsbeginn der deutschen Bevölkerung zu. Weiter heißt es: „Mitten im Frieden überfällt uns der Feind. Darum auf zu den Waffen! Jedes Schwanken, jedes Zögern wäre Verrat am Vaterlande.“ Vorangegangen war die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand und seiner Gemahlin in Sarajevo. Dieses Attentat löste eine verwirrende Gemengelage zwischen den koaliernden europäischen Ländern aus, die dann im 1. Weltkrieg mündete.

Eine Aufnahme aus den Kriegsjahren zwischen 1914 und 1918. Zu sehen ist ganz links im Krankenbett mein Urgroßvater Ernst Hergert. Welche Kriegsverletzung er sich zugezogen hat, ist nicht bekannt. Auch wenn die Soldaten in den seltensten Fällen über ihre Erlebnisse berichteten, so waren die Erfahrungen sicherlich für alle Männer gleichermaßen schrecklich und traumatisierend, ob im Westerwald oder Erzgebirge.

Beginnen möchte ich diese Kapitel mit einem Eintrag meines Großvaters mütterlicherseits in sein Schulheft aus den Jahren 1925/26. Er schreibt einen Art Lebenslauf, in dem es heißt: „Ich, Johannes Walter Hergert, bin am 6. Mai 1912 in Lößnitz (Erzgebirge) geboren. Mein Vater, am 30.10.1882 in Oberschlema geboren, ist Gußputzer bei Erdmann Kircheis in Aue. Als ich 2 Jahre alt war, begann der Weltkrieg, zu dem auch mein Vater leider mit hinaus mußte…Als mein Vater 1918 vom Kriege wiederkam, wurde er schwer krank. Er hatte die Grippe und später trat noch Gehirngrippe ein. Doch wurde es besser und er konnte bald die Arbeit wieder aufnehmen.“

Mein Großvater Hans Hergert zeichnet 1925 einen Weltkriegssoldaten in sein Schulheft.

Spanische Grippe oder Zerüttung auf Grund der Kriegserlebnisse?

Im Herbst 1918 grassiert unter den deutschen Soldaten und später auch unter der Zivilbevölkerung die Spanische Grippe, die ein amerikanischer Soldat aus den USA mit an die europäische Front brachte. Tausende fallen der Virusepidemie zum Opfer. Da die Erkrankung unter ihrem heutigen Namen noch nicht bekannt ist, taucht in den Sterberegistern als Todesart „Grippe mit Lungenentzündung“ auf. Die Symptome, die mein Opa bei seinem Vater beschreibt, könnten für die Spanische Grippe sprechen. Vielleicht war es aber auch eine nervliche Zerrüttung auf Grund der traumatischen Erfahrungen in den Schützengräben der Front.

Auf dieser Aufnahme von dem Fotografen Wilhelm Giegerich aus Ingelheim sieht man den in Kraam bei Altenkirchen lebenden Wilhelm Deneu, den Bruder meines Urgroßvaters Heinrich, hoch zu Ross in Uniform. Doch wo mag die Fotografie, die um 1914 aufgenommen wurde, entstanden sein? Könnte das die Selz sein, die durch Ingelheim fließt? War er dort stationiert und wurde von hier weiter an die Front verlegt? Oder entstand die Fotografie in Frontnähe und der Lichtbildner hat sich extra für diese Zwecke dort hinbegeben? Vielleicht können Sie mir bei der Lösung der Frage helfen!

Kriegsbeginn in Puderbach

„… da geht der Ruf durchs deutsche Volk „mobil!“. Vom Kirchturm läuten die Glocken und auf den Feldern, wo man mit der Kornernte beschäftigt ist, ruft man die Nachicht von Feld zu Feld: „et ess mobil!“

So lautet die Tagebucheintragung des Puderbacher Landwirts Otto Haberscheidt, der sich an den 1. August 1914, den Tag der Mobilmachung im Kaiserreich, zurückerinnert. Im Laufe seines Lebens wird er weitere Ereignisse des Dorflebens schriftlich festhalten. Vor allem sein Berichte über die Reichspogromnacht und die letzten Kriegsjahre bis zum Einmarsch amerikanischer Truppen sind rare Zeugnisse der Puderbacher Dorfgeschichte. Doch kehren wir zurück in die Zeit des Kriegsausbruchs im Jahr 1914.

Am darauffolgenden Tag verlassen die sogenannten Landstürmer als erstes das Dorf und werden mit der Eisenbahn nach Koblenz gebracht und dort ausgerüstet. 2 Tage später folgen die Männer der Reserve. Aus Angst vor fremdländischen Sabotageakten werden die Eisenbahnbrücken und die Dorfeingänge von Freiwilligen bewacht. Nach einigen anfänglichen Siegen, jedesmal zeugen die Kirchenglocken davon, folgen die ersten Todesnachichten und aus den scheinbar so erfolgreichen Kämpfen wird ein Stellungskrieg mit Schützengräben über eine Länge von über 700 Kilometern, der noch Jahre andauern wird. Ende 1914 wird dann neben weiteren Ersatzreservisten auch der Jahrgang 1894 eingezogen.

Für mich völlig neu ist, daß im Jahr 1915 in Niederdreis ein Lager für die ersten Kriegsgefangenen eingerichtet wird. Liebe gebürtige Niederdreiser: gibt es irgendwelche Erinnerungen, wo sich dieses Lager befand bzw. gibt es fotografische Zeugnisse?

Neben Otto Haberscheidt gehörte auch Philipp Born zum Jahrgang 1895. Diese Aufnahme vom Mai 1915, die in Detmold entstanden ist, zeigt ihn (2. Reihe, 3. v.l.) mit anderen Rekruten, die vermutlich gerade ihre mehrwöchige Ausbildung absolviert haben. (Beitrag vom 11.01.2023)

Am 16. Juni 1915 findet in Dierdorf die Musterung der Jahrgänge 1895 und 96 statt. Auch Otto Haberscheidt wird einberufen und der Infanterie zugeteilt. Über Neuwied geht es für ihn weiter nach Saarlouis, wo er dem IV. Rheinischen Infanterie Regiment Nr. 30 zugeteilt wird. Nach einer einmonatigen Grundausbildung an der Waffe und einem letzten Besuch seiner Eltern vor Ort, bekommt er am 22. August 1915 den Marschbefehl. Stück für Stück rückt nun die Front für ihn näher. Am Abend des 23. werden sie unter Begleitung einer Regimentskapelle und den Klängen des Liedes „Wem Gott will rechte Gunst erweisen“ zum Bahnhof gebracht. Sie kommen am folgenden Tag in Dambach bei Schlettstadt im Elsass an und werden in verschiedene Regimenter aufgeteilt. Für ihn geht es mit dem Zug weiter ins Landesinnere in die Gemeinde Saales in den Vogesen und von dort in einem mehrstündigen Fußmarsch bis in die Gemeinde Ban-de-Sapt. Hier befindet er sich in unmittelbarer Frontnähe. Er wird mit dem ebenfalls aus Puderbach stammenden Simon Seitz und einigen anderen Männern aus dem Puderbacher Umland der 9. Kompanie zugeteilt. An dieser Stelle lassen wir ihn selber weiterberichten:

„Am Abend des 28. August marschierten wir bei strömenden Regen in die vordere Stellung zur Ablösung. Dies war eine seit erst 14 Tagen bezogene neue Stellung. Gräben und Unterstände mußten noch ausgebaut werden, da (sinngemäß) unsere Truppen die alte Stellung von den Franzosen erobert und besetzt hatten. Nachdem wir abgelöst hatten, wurde die erste Gruppe, zu welcher ich gehörte, gleich auf Patrouille vor den Drahtverhau kommandiert. Im strömenden Regen schlichen wir nun gegen die feindlichen Stellungen…“

Hier endet der mir zu Verfügung gestellte Tagebucheintrag. Auf Grund der vermutlich erschreckenden weiteren Berichte, hielt die Familie die weiteren Seiten des Berichts zurück. Ich muß aber ehrlicher Weise sagen, daß ich keine weiteren Details aus seiner Feder brauche, um mir die darauf folgenden Geschehnisse vor Augen zu rufen. Otto Haberscheidt wird im Laufe seines Einsatzes an der Front noch eine leichte und auch schwere Verwundung davontragen.

Um das Thema zu vertiefen, möchte ich Sie auf die Seite des Deutschen Historischen Museums hinweisen. Unter dem Bereich „Lebendiges Museum Online“ kurz LeMO genannt, werden Tagebucheinträge bzw. Feldpostbriefe mehrerer Frontsoldaten vorgestellt. Sie geben einen erschütternden Einblick in diese Jahre. Zudem bietet die Rhein-Zeitung eine Reihe von Artikeln rund um den 1. Weltkrieg auf ihrer Internetseite an, die alle in regionaler Nähe zu Puderbach stehen. Die Links findet Sie am Ende des Beitrags angehängt.

Auch diese Fotografie stammt aus dem reichen Schatz an Dokumenten, die sich im Haus der „Konrädches“ gefunden haben. Die Fotografie wurde im Frühjahr 1918 verschickt und an Herrn Christian Runkler adressiert, älterer Bruder von Friedrich Runkler, und stammt aus der Hand seines Vetters Philipp. Auch er schreibt sich mit Nachnamen Runkler, gehört aber zum Familienzweig der „Andreesen“. Wir sehen ihn hier, er ist der 3. von links, mit vier weiteren Kameraden. Es muß Januar oder Februar sein und empfindlich kalt, denn es liegt Schnee. Im Hintergrund erkennt man die Ruinen eines Hauses, möglicherweise ein Beleg dafür, daß die Front nur wenige Kilometer von den Männern entfernt ist. (Beitrag vom 11.01.2023)

Der Nachlass von Friedrich Runkler

Es ist ein Glücksfall, daß Herr Klein aus Puderbach vor Kurzem die Möglichkeit bekam, daß kleine Anwesen der unverheirateten Brüder Philipp und Friedrich Runkler an der Steimeler Straße zu erwerben. Da das Haus 1976 an Verwandte der Familie vererbt wurde, die es aber kaum veränderten und persönliche Gegenstände, wie Fotografien und Unterlagen bewahrten, hat sich dieser Schatz bis heute erhalten. Dank dieser Dokumente lässt sich die Militärzeit von Friedrich während des 1. Weltkriegs genauestens nachvollziehen.

Diese Aufnahme gehört zu dem Konvolut an Unterlagen, Fotografien und anderer, bewahrenswerter Dinge, die die Jahrzehnte im kleinen Fachwerkhaus der „Konrädches“ überdauert haben. Wir sehen in der ersten Reihe als dritten von rechts das jüngste Kind der Runkler-Geschwister, Friedrich, geboren am 21. Juni 1893. Von 1916 bis 1918 dauert seine Militärzeit, die sich dank der Dokumente detailliert nachverfolgen lässt.
Ausbildung in Koblenz

Es beginnt im Januar 1916, als Friedrich im Alter von 22 Jahren eingezogen und in Koblenz zum Landsturmmann ausgebildet wird. Bei der Kaserne dürfte es sich um die sogenannte Telegraphen-Kaserne handeln, die sich im Stadtteil Meselweiß befand. Die Ausbildung dauerte mehrere Wochen und zog sich bis in den Februar hinein. Aus dieser Zeit ist eine Fotografie erhalten, die ihn mit seinen Kameraden zeigt, sowie eine Schießscheibe, die ihm ein Leutnant Jakob, anerkennend für seine herausragende Schießleistung, signiert.

Noch hat der Schrecken des Krieges den jungen Rekruten nicht erreicht.

Ein Blick auf die Telegraphen-Kaserne im Koblenzer Stadtteil Meselweiß um 1917.
Hier sehen wir Friedrich Runkler (gelber Punkt) mit den anderen Rekruten, die im Januar und Februar 1916 ihre Ausbildung an der Waffe absolvierten.
Friedrich muß sichtlich stolz auf seine Schießkünste gewesen sein, daß er die Zeilscheibe aus seiner Ausbildungszeit über Jahrzehnte aufbewahrte.
„Erschossen vom Landsturm Rekrut Runkeler Koblenz, den 7. Februar 1916 Jakob F. Leutnant“. Noch ist das Schießen Spielerei.
Im Gedenken an die absolvierte Ausbildung entsteht im Fotoatelier Schmidt in Koblenz diese Aufnahme.
Diese Karte schickt Friedrich im Februar 1916 von der Kaserne in Meselweiß an seine Eltern und kündigt an, noch einmal auf Urlaub vorbeizukommen. Die Feldpostkarte deutet aber schon an, daß er sich bald von der geliebten Heimat verabschieden muß.
Fronteinsatz in Frankreich

Die nächste Nachicht, die die Mutter und Geschwister erreicht, kommt im Mai aus der Stadt Saint-Quentin im Department Aisne. Die französische Stadt wurde in der sogenannten Schlacht an der Guise im August 1914 von deutschen Truppen erobert. „Bis jetzt sind wir noch hier“ schreibt er nach Hause. Doch er befürchtet, daß das Abrücken an die Front naht, so schreibt er weiter: „Hier weiß man ja doch nichts, das kommt auf einmal“.

Deutsche Truppen paradieren vor dem Rathaus von Saint-Quentin. 1917 wird die Stadt von den Franzosen zurückerobert. Die Zerstörungen durch die Gefechte sind verheerend, 70 Prozent der Gebäude zerstört.
Einsatz in Rußland

Im Dezember 1916 folgen die ersten Ansichtskarten aus dem fernen Rußland. Er ist nun Musketier des Infanterie Regiments Nr. 28. Bis in den Mai 1917 ist er hier stationiert und wird auch verwundet. Aus dem Feldlazarett schreibt er: „Solange ich noch hier (im Lazarett) bin, habe ich es besser als anderswo“.

Der Familie in Puderbach werden die Ansichtskarten fern und fremd vorgekommen sein.
Ein Gräberfeld in den russischen Weiten. Die frischen Grabkreuze im Vordergrund nennen die Namen der Musketiere Wilhelm Recker und Gustav Zingel, vermutlich Kameraden Friedrichs, die Mitte Dezember 1916 bei Kämpfen mit russischen Verbänden gefallen sind.
Wer mag dieser ungewöhnlich Uniformierte sein, den Friedrich (unten links) und seine Kameraden da in die Mitte genommen haben? Alles an ihm mutet exotisch an, seine in den Gürtel gesteckten und sich überkreuzenden Säbel, die Uniform, an der eine Quaste vom Schulterstück herabhängt, die unterschiedlichsten Orden, die aus dem 19. Jahrhundert zu stammen scheinen. Mag er ein altgedienter russischer Soldat sein?
Falls ja, so würde das Bild zeitlich in die Phase fallen, in der Friedrich vom Dezember 1916 bis zum Mai 1917 in Russland stationiert war.

Ob er etwas von den Unruhen in Rußland mitbekommen hat? Der harte Winter 1916/17, die schlechte Versorgungslage der Bevölkerung und der nicht enden wollende Krieg trieben die unzufriedenen und hungernden Menschen des Riesenreichs im Februar 1917 zu Tausenden auf die Straße. Im März sieht sich Zar Nikolaus II gezwungen, zurückzutreten. Nach unruhigen Monaten kommen die Bolschewisten unter Führung von Wladimir Iljitsch Lenin an die Macht und beenden den Krieg mit den Mittelmächten Deutschland, Österreich, Bulgarien und dem Osmanischen Reich.

Wieder in Frankreich

Im Anschluß verlegt man Friedrichs Kompanie wieder nach Frankreich. Er nimmt vermutlich an den Kämpfen an der Westfront teil. Hier stehen den deutschen und österreichische Verbänden französische, englische und seit April 1917 amerikanische Truppen gegenüber. Die folgende Aufnahme aus dem Jahr 1918 zeigt ihn mit seiner Kompanie. Ich frage mich, wie viele dieser Männer mögen im letzten Kriegsjahr gefallen sein?

Mit gelben Punkt Friedrich Runkler mit seiner Einheit.

In dem Nachlass Friedrich Runklers tauchten auch diese beiden Fotografien auf, die eine völlig verwüstete Stadt und eine zerstörte Kirche zeigen. Dank einer kleinen Notiz auf der Rückseite kann ich die Ruinen der Stadt Lens im Départment Pas-de-Calais zuordnen. Die Ortschaft lag im unmittelbarer Nähe des Frontverlaufs und wurde zu großen Teilen dem Erdboden gleich gemacht.

Bitte achten Sie auch auf den unten angehängten Link der Filmothek des Bundesarchivs. Ein Kameramann hat die erbitterten Kämpfe im Gebiet Lens und Oppy im Jahr 1917 auf Film festgehalten. Sie machen einen sprachlos.

https://www.filmothek.bundesarchiv.de/video/581210?set_lang=de

Es fehlen einem die Worte, wenn man dieses Bild der absoluten Zerstörung sieht. Große Teile der Stadt Lens waren 1917 völlig verwüstet.
Bis auf die Grundmauern haben Kanonen diese Kirche verwüstet.

Hat Friedrich die Zerstörungen mit eigenen Augen gesehen? Was mag in ihm vorgegangen sein? Fühlte er so etwas wie eine eigene Schuld? Wie traumatisch mögen die Erlebnisse in den Schützengräben für ihn gewesen sein?

Verwundung und Lazarettaufenthalt

Die nächsten Nachichten erreichen die Mutter und Geschwister im Juli 1918 aus dem Feldlazarett in Großauheim bei Hanau. Hierhin hat man den verwundeten Friedrich gebracht.

Ein Blick auf das am Main gelegene Großauheim und sein Lazarett.
Das Einlieferungsdatum ins Lazarett nach Großauheim scheint der 9. Juli gewesen zu sein, das meine ich auf jeden Fall auf dem Krankenblatt über seinem Bett lesen zu können. Beim Befund des Kranken könnte es „Durchschuß“ heißen, doch sicher bin ich mir nicht. Zum Schutz vor Zug und grellem Licht hat man provisorisch ein Laken vor dem Fenster befestigt.
Ein Blick in den Krankensaal.

Mit dem Aufenthalt im Lazarett Großauheim enden die Aufzeichnungen der Kriegsjahre. Es ist zu vermuten, daß Friedrich nach seiner Genesung wieder nach Puderbach zurückkehren konnte. Seine Kameraden jedoch kämpften noch bis Ende 1918 einen aussichtslosen Kampf, der mit der Unterzeichung des Waffenstillstands am 11. November ein Ende fand. (Beitrag vom 10.01.2023)

Die Erkennungsmarke von Friedrich Runkler. Eigentlich dienten sie zur Identifizierung gefallener Soldaten. Dieses Schicksal blieb ihm und seiner Familie zum Glück erspart.

Weitere Kriegsteilnehmer aus Puderbach

Der zum Einsatz im Felde bereite Schneider Jakob Mayer und seine Familie aufgenommen um 1914.

Vermutlich wie im ganzen Kaiserreich ziehen auch die Männer Puderbachs euphorisch und siegessicher an die Front. Werden sie, wie schon so häufig auf alten Fotografien zu sehen, von ihren Frauen und Kindern am hiesigen Bahnhof tränenreich verabschiedet? Doch schon nach kürzester Zeit verfliegt die anfängliche Begeisterung, spätestens als die ersten Todesnachichten die Familien erreichten. Bereits zwei Monate nach Kriegsbeginn am 26. September 1914 erreicht Selma Bär, die gerade zum zweiten Mal schwanger ist, die Mitteilung, daß ihr Ehemann Berthold für Kaiser und Vaterland gefallen ist. Sie wird nicht die Letzte sein, die dieses traurige Schicksal ereilt. Auch die am Felsen wohnende Wilhelmine Weingarten mit ihren beiden Mädchen Erna und Emma oder die Hebamme Mina Kunz vom Ackerweg, deren Sohn erst nach dem Tod des Vaters zur Welt kommt und als Erinnerung seinen Namen tragen wird, verlieren ihre geliebten Ehemänner in den Schützengräben der Front.

Tatsächlich erinnert die Holzverkleidung dieses Schützengrabens an die Stützkonstruktion in einem Bergbaustollen. So kam auch die Verwechselung zustande, als mir die Enkeltochter von der oben erwähnten Wilhelmine Weingarten mitteilte, sie hätte noch ein altes Foto ihres Großvaters und Grubenarbeiters Christian Bierbrauer aus der Zeit, als er unter Tage seinen Lebensunterhalt verdiente.
Doch nach wenigen Augenblicken stellen wir fest, daß die Aufnahme aus den Kriegsjahren 1914 bis 1918 stammen muß und einen mit Holzbalken abgestützten Frontgraben zeigt. Wilhelm, der zweite Ehemann der Kriegerwitwe Weingarten, ist hier in der Mitte seiner Kriegskameraden zu sehen (siehe Punkt). Die acht Soldaten tragen auf ihren Köpfen das sogenannte „Krätzchen“, die typische Kopfbedeckung für militärische Angehörige des Kaiserreichs. Ganz vorne hält einer der Männer eine Spitzhacke in der Hand, sodass man vermuten kann, daß er beim Ausbau der militärischen Anlage beteiligt war. Erst beim näheren Hinsehen entdecken wir die Stielhandgranaten, die zwei der Infanteristen dem Fotografen präsentieren. Nun gibt es keinen Zweifel mehr. Die Männer sitzen in ihrem Schützengraben, möglicherweise in einem schützenden Unterstand, und warten auf den Befehl ihres Vorgesetzten, den Feind anzugreifen. (Beitrag vom 14. November 2021)
Auf dieser Aufnahme sieht man den 1875 geborenen Adolf Aron mit seiner Kompanie (siehe Punkt).

Verwundet

Etliche Puderbacher Männer werden bei den Gefechten teilweise schwer verletzt, wie beispielsweise Wilhelm Löhr (Schoopittersch) von der Steimeler Straße oder auch Louis Weber (Heydorsch) vom Gasthof auf der Hauptstraße.

Diese Aufnahme wird zu Kriegsbeginn 1914 entstanden sein. Zu sehen ist ganz links Richard Weber (Heydorsch), der Sohn der gleichnamigen Gastwirtsfamilie auf der heutigen Haupstraße. Er und seine anderen Kameraden sind vermutlich zum Abschied mit kleinen Blüten geschmückt worden. Der Kriegsalltag, den die Männer in den Schützengräben erleben, wird so ganz anders aussehen.
Ganz rechts auf der Bank sitzend sieht man den 1897 geborenen Wilhelm Frohn aus Puderbach. Diese Aufnahme mit seinen Kriegskameraden schickt er am 21. Oktober 1916 an seinen Vater Philipp nach Puderbach. Er gehört zur Infanterie Ersatz Truppe 6. Kompanie III. Battaillon, das bei Entstehen des Fotos in einer Kaserne im belgischen Beverloo untergebracht ist (siehe obere Bildhälfte). Auch Wilhelm wird eine leichte Verletzung davontragen. Ihm wird bei den kriegerischen Auseinandersetzungen die Ferse eines Fußes weggeschoßen.
Hier sehen wir links den verletzten Wilhelm Frohn während seines Lazarettaufenthalts in dem zwischen Limburg und Kassel gelegenen Bad Wildungen. Neben seinen Zimmergenossen, die anscheinend auch nur leichte Verwundungen davongetragen haben, hat sich eine der Krankenschwestern mit ablichten lassen. Zur Kontrolle des stetigen Genesungsprozesses hängen über den Betten die Krankenblätter der Patienten nebst Namenszug. (Beitrag vom 10. November 2021)
Anfang Mai 1918 sendet Philipp Born aus dem Puderbacher Mühlendorf an seinen Bruder Karl diese Aufnahme, die in Straßburg entstanden ist und ihn mit anderen verletzten Soldaten zeigt (2. Reihe, 2. v.l.). Alle Verwundungen der Männer scheinen Arme und Hände zu betreffen, wie man an den Schlingen und Verbänden erkennen kann. (Beitrag vom 11.01.2023)
Drei Wochen später erhält Karl Born diese Fotografie aus einem Lazarett bei Fürth in Bayern. Die Schlinge, die Philipp zuvor noch tragen mußte, ist verschwunden. Er scheint auf dem Weg der Besserung zu sein. Ob er nach seiner Genesung noch einmal an die Front geschickt wurde, ist mir nicht bekannt. (Beitrag vom 11.01.2023)

Grippe und Lungenentzündung

Wie oben schon erwähnt, grassiert ab Ende Juni 1918 zunächst unter den Frontsoldaten, später aber auch unter der Zivilbevölkerung die hochinfektiöse Spanische Grippe, der u.a. Karl Bay, Joh. Peter Born und Wilhelm Dorr zum Opfer fallen. Als Todesursache wird bei allen Dreien „Grippe mit Lungenentzündung“ vermerkt, welches auf die ansteckende Viruserkrankung hinweist.

Hier eine Auflistung der Männer, die im 1. Weltkrieg gefallen sind und auf dem Kriegerdenkmal am Friedhof genannt werden.

Ehrenmal

Nach Kriegsende kommt unter der Bevölkerung schon bald der Wunsch auf, der Gefallenen durch ein Ehrenmal zu gedenken. Aus diesem Grund schließt sich der Puderbacher Turnverein und Posaunenchor, sowie die Gesangvereine aus Reichenstein, Woldert, Weroth und Muscheid zu dem Zweckverband „Heimatdank“ zusammen. Sie werden duch Haussammlungen und Veranstaltungen wie Konzerte oder Turnvorführungen die Gelder für die Errichtung zusammenbringen.

Hier sehen sie eine der beiden Listen der Anfang der 1920er Jahre durchgeführten Haussammlungen. Die Spendensammler haben sich zunächst an die Honoratioren des Ortes gewandt wie den Bürgermeister Ermisch oder den Kaufhausbesitzer Julius Hülpüsch. Doch fast jeder Puderbacher steuert im Rahmen seiner Möglichkeiten einen Geldbetrag zur Finanzierung des Ehrenmals bei. Besondere Beachtung sollte finden, daß sogar ein damals in Puderbach stationierter US amerikanischer Besatzungssoldat spendet.
Bei der Höhe der Geldbeträge muß man bedenken, daß es nach dem 1. Weltkrieg zu einer stätig steigenden Inflation kommt und das Geld bis 1923 permanent an Wert verliert. Zum Beispiel gibt Bürgermeister Ermisch bei der ersten Sammlung 100 Mark; bei der zweiten Spendenaktion sind es bereits 300.
Eine Anzeige in der Neuwieder Zeitung wirbt für die Veranstaltung des Zweckverbands „Heimatdank“ am 30. Januar 1927 im Weberschen Saal unter Teilnahme der Gesangvereine, des Posaunenchors und des Turnvereins. Auch nach Errichtung des Denkmals im Jahr 1924 galt es, die entstandenen Kosten abzutragen.

Ruchlos

In der Nacht vom 28. auf den 29. September 1924, das Kriegerdenkmal ist bereits am Eingang des Friedhofs errichtet, aber noch nicht eingeweiht worden, beschmieren Unbekannte die Namen der beiden jüdischen Gefallenen Karl und Berthold Bär mit einer teerartigen Masse. Der Zeitungsartikel vom 13. Oktober desselben Jahres berichtet davon. Noch löst diese Tat berechtigte Empörung bei der Bevölkerung aus. Sie zeigt aber auch, daß Antisemitismus im beginnenden 20. Jahrhundert weit verbreitet ist. Gerade die DNVP, die Deutschnationale Volkspartei und der sogenannte „Stahlhelm“, eine Organisation aus ehemaligen Frontsoldaten, sind offen antijüdisch.

Einweihung

Am 9. November 1924 ist es dann endlich soweit. In einem Festakt wird das Ehrenmal für die Gefallenen des 1. Weltkriegs feierlich eingweiht. Die unten zu sehende Postkarte zeugt davon. 1930 übergibt der Zweckverband „Heimatdank“ nach Abtragung der entstandenen Verbindlichkeiten das Denkmal an die Kirchengemeinde Puderbach.

Links:

Über den 1. Weltkrieg

https://de.wikipedia.org/wiki/Erster_Weltkrieg

Die Spanische Grippe in Deutschland

https://www.berlin.de/projekte-mh/netzwerke/spaetlese/themen/gesundheit/artikel.716988.php

Zeitzeugenberichte auf der Seite des LeMO, des Lebendigen Museums Online

https://www.dhm.de/fileadmin/lemo/suche/search/index.php?q=*&f[]=seitentyp:Zeitzeuge&f[]=epoche:Erster%20Weltkrieg

Artikel der Rhein-Zeitung zum 1. Weltkrieg

https://www.rhein-zeitung.de/region/zeitgeschichte/der-erste-weltkrieg.html

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