Ob Sonntagsspaziergang, der Besuch der Gastwirtschaft, ein gepflegtes Kartenspiel, Musizieren in gemeinsamer Runde oder der Besuch einer Kirmes… Die Unterhaltungsmöglichkeiten unserer Groß- und Urgroßeltern waren vielfältig aber recht bescheiden. Erst in den 50er und 60er Jahren durch die flächendeckende Motorisierung und den Siegeszug des Fernsehapparates wurden die Zerstreuungen vielfältiger und die Ausflüge weiter. An dieser Stelle seien einige dieser einfachen Vergnügungen von damals genannt.
Winterfreuden
Heute wie damals ist eine Schlittenfahrt an kalten und verschneiten Wintertagen eine große Freude. Auch meine Großmutter konnte sich nur zu gut an so manche rasante Abfahrt die Urbacher Straße hinunter erinnern. Solch ein selbstgebautes Gefährt war wie ein in zwei Teile gesägter Schlitten, der durch ein in der Mitte angebrachtes Brett verlängert wurde und bis zu 12 Personen Platz bot. Vorne saß der Lenker und brachte einen hoffentlich ohne Sturz die Piste hinunter.
Bei einer dieser Fahrten ist Gustav Deneu, der Cousin meiner Oma, der Lenker des Schlitten. Es geht die vereiste Urbacher Straße hinunter und der übermütige Fahrzeugführer zündet sich während der Fahrt eine Pfeife an. Es kommt wie es kommen mußte, der „Sannersch Gustav“ verliert die Kontrolle über das Gefährt und es stürzt um. Meine Großmutter ist furchtbar im Gesicht verschrammt und läßt sich beim Nachbarn und Zahnarzt Georg Weber die Wunden behandeln.
Wir gingen am Sonntag spazieren
Ein Sonntagsspaziergang in kleiner oder großer Runde war in den Jugendjahren meiner Großeltern ein willkommener Zeitvertreib. Die Ziele waren die umliegenden Dörfer und es ging durch Feld und Wald. Hier einige Impressionen solcher kleinen Ausflüge.
Badevergnügen
Jeder von uns weiß, wie wunderbar es ist, sich im Hochsommer im Freibad, an Baggerseen oder kleinen Flußläufen abzukühlen. In Urbach existiert seit dem Ende der 1920er Jahre das sogenannte Sommerbad. Ansonsten gab es zu jeder Zeit und kostenfrei den Holzbach, der früher auch rege von den Dorfbewohnern Puderbachs genutzt wurde.
Manchmal kann ein solches Badevergnügen auch zur Gefahr werden, wie der Fall von dem 1913 geborenen Paul Puderbach zeigt. Der Sohn des Schmiedemeisters vom Ackerweg ist am Sonntag, den 6. August 1933, ein heißer Sommertag, zum Holzbach gelaufen, um sich dort zu erfrischen. Vermutlich durch den erhitzen Körper und das kalte Wasser versagt der Kreislauf, er wird ohnmächtig und ertrinkt in dem Gewässer.
Einfach zusammenkommen
Die Gründe, um sich mit Freunden und Nachbarn zu treffen, sind damals wie heute dieselben geblieben. Nach einer arbeitsreichen Woche schwatzt und lacht man miteinander, tauscht Neuigkeiten aus, drischt die Karten und genehmigt sich vielleicht ein kühles Getränk.
Hausmusik
Geige, Mandoline, Waldzither…an diesen Musikinstrumenten üben sich die Jugendlichen der 20er und 30er Jahre. Zum Musizieren trifft man sich an kalten Wintertagen in den wohlig warmen Wohnstuben. Bei gutem Wetter fiedelt und zupft man unterwegs bei den sonntäglichen Spaziergängen und an lauen Sommerabenden trifft man sich vor den Häusern und spielt und singt, bis das halbe Dorf zusammen kommt.
Mußestunden für die Seele
Besuch der Verwandten im Ruhrgebiet
Für meine Großmutter war der vierwöchige Aufenthalt bei Verwandten in Essen, der vermutlich im Jahr 1929 stattgefunden hat, ein ganz besonderes und unvergessliches Erlebnis. Mit leuchtenden Augen erzählte sie mir immer wieder von diesen Tagen.
Das Abenteuer beginnt
Das Abenteuer beginnt damit, daß eines schönen Tages die Tante Emilie Ewert, die mit ihrem Mann Karl in Essen lebt, die „Sannersch“ in Puderbach besucht. Milchen ist eine geborene Deneu und eine Tante meines Urgroßvaters Heinrich. Sie dringt darauf, meine Großmutter zu einem Besuch in den „Pott“ mitzunehmen. Nach einigem hin und her willigen meine Urgroßeltern ein. Schnell wird ein Koffer mit den schicksten Sachen gepackt, die der Kleiderschrank hergibt. Auch die Waldzither wird auf die Reise mitgenommen. Vom Puderbacher Bahnhof geht es ab in die Ruhrmetropole.
Dem Alltag des Bauernhofs entflohen
Normalerweise ist auch meine Großmutter Laura fest in den Arbeitsalltag des Bauernhofs eingespannt. Schon in aller Frühe beginnen die zu erledigenden Arbeiten. Gerade zur Erntezeit kennen die Tage kein Ende. Hier bei den Verwandten in Essen ist alles ganz anders. Sie darf mit Sicherheit ausschlafen. Die Tante unternimmt Ausflüge in die Stadt oder Umgegend mit ihr, vielleicht bekommt sie auch etwas Neues zum Anziehen gekauft.
Bei den Ewerts
Wo genau die Ewerts in Essen wohnten, konnte sich meine Großmutter nicht mehr erinnern. Es muß wohl eine großer Fußballplatz in der Nähe gewesen sein. Karl und Emilie haben vier Söhne, die dafür sorgen, daß es in ihrer Wohnung immer lebhaft und trubelig zugeht. Besonders der jüngste Sohn Otto hat ein besonders enges Verhältnis zu der Puderbacher Verwandtschaft. Es gibt die wunderbare Anekdote, daß er als Kind die Ferien auf dem Bauernhof der „Sannersch“ verbringt. Morgens in aller Frühe werden die Kinder von meinem Urgroßvater Heinrich mit dem Ruf „Laura opp (auf), Otto opp, Essener Otto opp“ aus den Betten geholt.
Bei den Münkers
Nach zwei wunderbaren Wochen nehmen sich die Münkers meiner Großmutter an. Otto Münker, dessen Großmutter eine geborene Sanner ist, seine Frau Helly und die beiden Söhnen Rolf und Helmut wohnen in der Adelkampstraße im Stadtteil Essen/Frohnhausen. Durch seine Arbeit als Abteilungsleiter beim Rheinisch-Westfälischen-Kohlesyndikat wird die Familie in gutbürgerlichen Verhältnissen gelebt haben.
Essener Prater
Die Münkers nehmen meine Oma mit in den „Essener Prater“, einen Vergnügungspark auf dem heutigen Gelände des Grugaparks, der 1926 nach Wiener Vorbild entsteht und 1930 wegen der Weltwirtschaftskrise bereits wieder schließen muß.
Bei den Münkers kommt dann auch die Waldzither zum Einsatz. Immer wieder muß meine Großmutter für den Onkel Otto das Volkslied „Waldeslust“ singen und sich mit dem Instrument dazu begleiten.
Zurück im Alltag
Nach einem Monat voller neuer Eindrücke geht es mit dem Zug und in Begleitung eines Mannes aus Bauscheid zurück in den Westerwald. Doch kaum das sie den Bauernhof der Familie betritt, beginnt für sie der altbekannte Arbeitstrott. Sie wird ohne großes Aufhebens aufs Feld zum Klee holen geschickt.
Von Sängerfesten und anderen Geselligkeiten
Die Feste in den Dörfern der Gegend und in Puderbach selbst sind willkommene Gelegenheiten, der Arbeit und dem Alltag der Woche zu entfliehen. Meine Großmutter erinnerte sich an ein Sängerfest in Neitzert, zu dem sie mit ihrer besten Freundin Käthe Velten aufbrach.
Die beiden besitzen bereits ein Fahrrad, sodas sie nur eine gute halbe bis dreiviertel Stunde bis zur Ankunft brauchen. Der Tag vergeht wie im Flug, man trifft Freunde und Bekannte und amüsiert sich köstlich. Erst bei einbrechender Dunkelheit machen sich die beiden Frauen auf den Rückweg. In den Waldstücken ist es stockfinster und nur die Fahrradlampe bietet ein wenig Licht. Als sie die Puderbacher Ortsgrenze erreichen, stehen da plötzlich mitten auf der Straße ein paar Strohgarben, in die die erschrockenen Fahrradfahrerinnen hineinrasen. Ein paar Spaßvögel der Hochzeitsgesellschaft von Ernst Dorr hatten die Bündel mitten auf dem Weg gestellt.
In späteren Jahren konnte ich durch die erwähnte Hochzeit das Datum des Ausfluges recherchieren. Es handelte sich um Sonntag, den 27. Juli 1930.
Sängerfest in Puderbach
Sängerfest in Breitscheid
1960er Jahre
Ein ungewöhnliches Hobby
Die Zeitschrift „Der neue Film“ vermerkt in seiner Ausgabe 84 aus dem Jahr 1953 folgendes: „In Puderbach im Westerwald entsteht ein modernes Lichtspieltheater, das im April 1954 eröffnet werden soll. Bauherr ist der Inhaber der Filmbühne in Fluterschen-Altenkirchen, Werner Schmidt.“
Für meinen Vater war das Puderbacher Lichtspieltheater ein ganz besonderer Ort. Es sind aber nicht die damaligen Kassenschlager mit Ruth Leuwerick, Liselotte Pulver oder Romy Schneider, die ihn als Jugendlichen in das Kino locken. Vielmehr ist er begeistert von der Vorführtechnik.
Wer ihn in die Gerätschaften einführt, kann ich nur mutmaßen. Höchstwahrscheinlich ist es der Kinobesitzer Werner Schmidt selbst. Manche freie Stunde verbringt er in dem kleinen Vorführraum, legt die Filmrollen ein, prüft durch das kleine Guckfenster zum Zuschauerraum, ob Helligkeit, Schärfe und Ton stimmen.
Reiselust ab den 1950er Jahren
Mit zunehmenden Wohlstand durch das sogenannte „Wirtschaftswunder“, dem unerwartet schnellen und anhaltenden Wirtschaftswachstum in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, wächst auch der Wunsch der Menschen, die Welt zu bereisen.
Da in den 1950er Jahren bei Weitem noch nicht jeder ein Auto besitzt, finden die meisten Unternehmungen mit dem Zug oder Bus statt. Die Reiseziele liegen zumeist innerhalb Deutschlands, wobei die Nord- und Ostsee, die bayrischen Alpen und der Schwarzwald besonders beliebt sind. Nachstehend sehen Sie einige Schnappschüße der Touren, die meine Großeltern mit der Puderbacher Omnibusfirma Karl Dills unternommen haben.
Die Reiseziele werden weiter
In den 60er Jahren werden mit dem weiter anwachsendem Wohlstand und der unaufhörlich ansteigenden Zahl an zugelassenen Autos die Reiseziele immer weiter. Die Sehnsuchstorte der Zeit sind Österreich, Spanien und ganz besonders Italien.
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