Louise Deneu geb. Kohl
Eine der schönsten und mit Abstand ältesten überlieferten Geschichten meiner Familie kommt von meiner Ururgroßmutter Luise Deneu geb. Kohl. Sie verbringt ihren Lebensabend bis zu ihrem Tod am 23. Januar 1917 bei ihrem Sohn Heinrich und seiner Familie in Puderbach, stammt aber aus dem bei Altenkirchen gelegenen Ort Kraam. Dort wird sie am 28. April 1850 als 5. Kind des Hermann Kohl und seiner Frau Margarethe geb. Müller mittags um halb 12 Uhr geboren und am 5. Mai unter Anwesenheit der vier Taufzeugen auf den Namen Marie Luise getauft.
Die Lommlers
Die Geschichte, die sie dem Bruder meiner Großmutter Otto Deneu erzählte, stammt wahrscheinlich schon von ihrer Großmutter, der am 12. Mai 1792 geborenen Henriette Kohl geb. Lommler. Ihr Vater ist der Kirchspiels-Schultheiß Karl Lommler zu Adorf, dessen Familie über einigen Besitz verfügt haben muß. Die Erzählung führt uns zurück in die Zeit um 1800, als Räuberbanden, wie die von Schinderhannes oder Balzar, den Westerwald unsicher machen.
Überfall
Solch eine Bande verschafft sich Zugang zum Haus meiner Vorfahren, indem sie mit Hilfe eines zweirädrigen Karrens die doppelflügelige Tür aufbricht. Die Besitzer werden gefesselt, auf ihre Betten gelegt und peinlichst nach dem Versteck des Geldes befragt. Die Lommlers zieren sich zunächst, ihr Vermögen diesen Halunken zu übergeben. Als jedoch die Banditen drohen, ihre Waden (Beine) mit siedendem Öl zu übergießen, fürchten sie die unerträglichen Schmerzen so sehr, daß sie den Verbleib der Schätze preisgeben.
Die Deneus aus Hemmelzen und Kraam
Mein Urgroßvater Heinrich Deneu kommt am 15. Oktober 1881 als drittes Kind der Eheleute Heinrich und Louise Deneu im hinter Altenkirchen gelegenen Kraam zur Welt. Seine beiden älteren Brüder Karl und Wilhelm werden 1878 bzw. 1879, seine jüngere Schwester Wilhelmine und der jüngste Bruder Julius 1885 und 1886 geboren. Die Wurzeln des Vaters Heinrich lassen sich bis ins 17. Jahrhundert in das ebenfalls im Kreis Altenkirchen gelegene Dorf Hemmelzen zurückverfolgen.
Karl Deneu
Karl, der älteste der Deneu-Geschwister, geboren am 14. Dezember 1878, wird 1903 die aus Oberirsen stammende Helene Bitzer heiraten. Sie bekommen fünf Kinder, wobei der 1903 geborene Gustav und die 1905 geborene Wilhelmine besonders zu nennen sind. Auf der Suche nach einer Anstellung, werden sie immer wieder für die „Sannersch“ in Puderbach als Knecht und Magd arbeiten. Der Bruder meiner Großmutter wurde nicht müde, Gustav als „sterk“, also extrem stark, zu bezeichnen. Er konnte wohl ein Automobil alleine zur Seite wuchten. Und meine Großmutter erinnerte sich, daß sie mit dem „Sannersch Mina“ das Fachwerkhaus der Familie angestrichen hat.
Wilhelm Deneu
Bereits nach 14 Jahren Ehe, am 1. September 1924, entschläft dem im Kraam lebenden zweitältesten Bruder Wilhelm seine geliebte Frau Jettchen. Acht Jahre später erfolgt der nächste Schicksalschlag. Aus der Waldbröler Nervenheilanstalt erreicht ihn die Nachicht, daß seine wegen einer psychischen Erkrankung dorthin verbrachte Tochter Martha am 30. Januar 1932 mit gerade mal 21 Jahren verstorben ist. Wilhelm lebt fortan allein in dem Stammhaus der Familie. Meine Großmutter erinnerte sich an einen Besuch bei dem Witwer. Sie fuhren mit dem Zug bis Neitersen und mußten noch knappe 6 Kilometer bis Kraam zu Fuß laufen. Der auf sich gestellte Onkel war offensichtlich mit Ordnung und Haushalt in dem kleinen Fachwerkhaus überfordert. Vor allem die „Gemuckelsküche“ blieb ihr lebhaft in Erinnerung.
Wilhelmine Deneu verh. Hottgenroth
Die einzige Schwester Wilhelmine heiratet am 4. Mai 1909 den aus Mehren stammenden Schreiner Wilhelm Hottgenroth. Von den drei Kindern, die dem Paar geschenkt werden, erinnere ich mich nur an den 1917 geborenen Otto, seine aus Forstmehren stammende Ehefrau Luise und deren mit der Chromosomenanomalie „Trisomie 21“ geborenen Sohn Friedhelm. Wahrscheinlich wegen ihm, diesem etwas schüchternen aber freundlichen Mann im Alter meines Vaters, sind mir die zahlreichen Besuche der „Forstmehrener“ bei meinen Großeltern so lebhaft in Erinnerung.
Julius Deneu
Der jüngste Bruder Julius, der am 14. August 1886 geboren wird, unterscheidet sich in fast jeder Hinsicht zu seinen älteren Brüdern. Während seine Geschwister mit den Jahren an Leibesfülle zunehmen, bleibt er eher schlank und zierlich. Auch beruflich entwickelt er sich anders. Während seine Geschwister in der Landwirtschaft tätig sind, erlernt er den Beruf des Schreiners. Nach seiner Hochzeit mit der aus Oberirsen stammenden Luise Schreiner, zieht das Paar der Arbeit wegen ins Saarland. In Saarbrücken finden die beiden eine neue Bleibe. Hier werden auch ihre drei Kinder geboren, Harry, Martha und Irene. Um 1920 kehrt die Familie in die Westerwälder Heimat zurück. Julius und Wischen, wie Luise von allen gerufen wird, gründen in Oberirsen ein Textil- und Lebensmittelgeschäft. Um auch die umliegenden Ortschaften mit ihren Erzeugnissen zu versorgen, schwingt sich der Ladeninhaber Deneu regelmäßig mit einem Koffer voller Waren auf sein Rad. In späteren Jahren führt die Tochter Martha, eine verheiratete Bohnenkamp, den Laden bis in die 1960er Jahre weiter.