Fast 50 Jahre findet der Schulunterricht für die Puderbacher Kinder in einem Fachwerkgebäude am Ackerweg, in unmittelbarer Nähe zur Kirche, statt. Auf Grund steigender Schülerzahlen und der Baufälligkeit des bisherigen Schulhauses verlegt man den Unterricht 1842 in ein neu errichtetes Gebäude auf der sogenannten „Kirchbitz“. Doch bereits um 1886 erwägt der Schulvorstand einen weiteren, größeren Neubau, der dieses Mal im Mühlendorf enstehen soll. 1891 sind die Bauarbeiten abgeschlossen und das ganze Dorf nimmt an der feierlichen Einweihung teil.
Schulunterricht nicht nur in Puderbach
In dem Kapitel über meinen Urururgroßvater Simon Kuhl, der Schullehrer in Muscheid war, bekommt man einen Eindruck, wie das Schulwesen bis zum Ende des 2. Weltkriegs aussah. Die Schüler und Schülerinnen gingen nicht wie heute auf eine große Gesamtschule, sondern der Unterricht fand in mehreren über die Dörfer verteilten Schulgebäuden statt. Es gab eine Schule in Puderbach, in der auch die Kinder von Niederdreis unterrichtet wurden; desweiteren Schulhäuser in Weroth, Woldert, seit 1857 eines für Reichenstein und deren umliegende Dörfer Richert und Haberscheid, sowie die sogenannte Höferschule für die Ortschaften Breitscheid, Bauscheid, Döttesfeld und Oberähren und die Schule an der Lieweck, zu der die Kinder aus Muscheid, Werlenbach und Daufenbach gingen. Später wird die Lieweck aufgelöst und Muscheid und Daufenbach bekommen ein eigenes Schulgebäude.
Frühe Aufnahmen
An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei Herrn Klein aus Puderbach bedanken. Er erwarb vor kurzem das alte Fachwerkhaus der Gebrüder Runkler, auch „Konrädches“ genannt, an der Steimeler Straße samt Inventar. In dem Nachlass tauchten zwei wunderbare Schulfotos auf, die noch älter sind, als das mir bekannte aus dem Jahr 1899 von Frau Meffert. Dank seiner freundlichen Unterstützung sind sie hier zum ersten Mal seit vielen Jahrzehnten wieder zu sehen. (Beitrag vom 08.01.2023)
Lehrer Wilhelm Rüdig
Im April 1869 tritt der zuvor in Oberraden tätige Schullehrer Wilhelm Rüdig die frei werdende Lehrerstelle in Puderbach an. Neben seiner pädagogischen Tätigkeit bekommt er auch das Amt des Küsters, Glöckners und Organisten an der evangelischen Kirchengemeinde zugewiesen.
Lehrer Philipp Becker
Geboren wird Philipp Wilhelm Simon Becker, wie er mit ganzem Namen heißt, am 12. Januar 1839 in Puderbach als viertes Kind des Lehrers Joh. Wilhelm Becker und seiner Frau Kath. Philippine einer geborenen Kambeck. Sein Großvater Joh. Heinrich war bereits Kirchspiels-Präceptor in Raubach gewesen. So wundert es nicht das Philipp in die Fußstapfen seiner Vorfahren tritt. Nach seiner Ausbildung, die er u.a. von seinem Vater erhalten haben wird, nimmt er die frei werdende Lehrerstelle in Daufenbach an. Spätestens 1875 wechselt er dann an die Schule zu Puderbach und versieht hier den Schuldienst bis ins Jahr 1909. Angemerkt sei, daß sein Sohn Otto und dessen Frau Wilhelmine das Kaufhaus Becker an der Ecke Steimeler Straße/Hauptstraße begründen werden.
Lehrer Anton Siegel
Nach der Pensionierung des Lehrer Becker übernimmt der 1858 in Anhausen geborene Anton Siegel die Hauptlehrerstelle. Von 1878 bis 1889 hatte dieser bereits die Lehrerstelle in Weroth verwaltet. 1890 folgte die Anstellung als Zweitlehrer in Puderbach. Neben seiner Lehrtätigkeit versieht er mit kleinen Unterbechungen das Amt des Organisten an der hiesigen Kirche. Seinen Ruhestand, den er 1923 antritt, kann er nicht mehr genießen, da er bereits am 25. Dezember 1924 verstirbt.
Anekdote
Sicherlich hatten unter der Strenge und den Züchtigungen des Lehrer Siegels alle Schulkinder zu leiden, besonders aber der kleinwüchsige Gustav Bär. Wenn später die Dorfbewohner den „Heims Gustav“ scherzhaft ansprachen und meinten, die Puderbacher Schule stünde in Flammen, meinte er nur trocken: „Was nützt das, wenn der Siegel nicht drin ist!“
Zeugnisheft der Mina Born
Geboren wurde Mina am 27. Mai 1892 als 3. Kind des früh verstorbenen Ackerers Christian Born und seiner Ehefrau Sophie. Da sie unverheiratet blieb und sich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen mußte, führte sie im Haus der Mutter an der Steimeler Straße ein Lebensmittelgeschäft. Viele Jahrzehnte stand sie hinter der Theke ihres kleinen Ladens, mit zunehmenden Alter tatkräftig unterstützt von Frau Schmidt, der Ehefrau ihres Neffen. Am 10. April 1972 verstarb sie mit knapp 80 Jahren.
Mein Dank geht an dieser Stelle an vorgenannte Frau Schmidt, „dat Herwetspittersch Anneliese“, die so freundlich war, das Zeugnisheft ihrer Anverwandten zur Verfügung zu stellen. (Beitrag vom 25.08.2024)
Die Puderbacher Schulklassen um 1919
Lehrer Abresch, Zimmermann und Fräulein Kölb
Neben Anton Siegel stellt die Gemeinde zu Beginn der 1920er Jahre den vermutlich aus der Dierdorfer Gegend stammenden Ludwig Abresch als Zweitlehrer ein. 1922 kommt dann als dritte Lehrkraft die am 19. April 1889 in Woldert geborene Lina Kölb dazu. Ihre didaktische Ausbildung wird sie an einer Lehranstalt wie dem Lehrerinnenseminar in Koblenz erhalten haben.
Das Lehrerinnenzölibat
Für Frauen der damaligen Zeit bedeutet der Entschluß, Lehrerin zu werden, den generellen Verzicht auf Ehe und Familie, denn bereits 1880 führt man im Kaiserreich das sogenannte „Lehrerinnenzölibat“ ein. Die rechtliche Regelung verbietet den weiblichen Unterrichtskräften die Eheschließung, da man ihnen nicht zutraut, der Doppeltbelastung durch Beruf und Familie gewachsen zu sein. Bei Zuwiderhandlung droht man ihnen mit der Kündigung bzw. mit dem Verlust des Ruhegehalts. Mit der Weimarer Republik 1918 wird der diskriminierende Paragraph zunächst gestrichen, um ihn 1923 in veränderter Form wieder einzuführen. Die „Personalabbauverordnung“ erlaubt die Entlassung verheirateter Beamtinnen, um in wirtschaftlich schlechten Zeiten, Stellen für Männer zu schaffen. Erst ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 10. Mai 1957 erklärt eine Zölibatsklausel in Arbeitsverträgen generell für verfassungswidrig und damit nichtig. Für das „Fräulein“ Kölb kommt diese Regelung zu spät.
Vermutlich mit der Pensionierung von Anton Siegel im Jahr 1923 wird der musisch begabte Lehrer Friedrich Zimmermann eingestellt. Möglicherweise stammt er wie fast alle Dorfschullehrer Puderbachs aus der näheren Umgebung. Neben seiner Lehrertätigkeit leitet er den Chor der Evangelischen Kirchengemeinde sowie den Männergesangverein „Liedertafel“.
Die Handarbeitslehrerin Katharina Träger geb. Sommer
Eine meiner Lieblingsgeschichten, die mir meine Großmutter aus ihrer bewegten Kindheit erzählte, ist die über die Stickarbeit auf einem Stück Stramin, die sie für ihre Handarbeitslehrerin Frau Katharina Träger, das sogenannte „Trägersch Trin“, erledigen mußte. Damals war meine Oma sehr eng mit dem Nachbarsmädchen Else Funk befreundet gewesen und besuchte sie regelmäßig in ihrem Haus. Hier ging es immer trubelig zu, da Else etliche kleinere Geschwister hatte. Nun saßen die beiden zusammen und waren mit der Fertigstellung ihrer Hausaufgabe beschäftigt, da fiel meiner Großmutter die Stickerei aus der Hand und auf den Fußboden. Wie es das Pech so wollte, hatte gerade an dieser Stelle eines der kleinsten „Fonks“-Geschwister eine „Pfütze“ hinterlassen. Alle Versuche, daß Stramin von dem Unrat zu befreien, blieben erfolglos. Wie die Stricklehrerin auf die nicht abgegebene Handarbeit reagiert hat, ist nicht überliefert.
100. Geburtstag
Schon als Katharina Träger am 17. Mai 1970 ihren 99. Geburtstag feiert, ist sie die älteste Bürgerin des Kirchspiels Puderbach und der Neuwieder Zeitung ist ihr hohes Alter ein Zeitungsbeitrag wert. In dem Artikel heißt es:
„…Obwohl in der heutigen Zeit die Lebenserwartung ständig zunimmt, ist ein 99. Geburtstag gewiß kein alltägliches Ereignis. Die alte Dame ist von einer bemerkenswerten körperlichen und geistigen Frische, die es ihr ermöglicht, in diesem Alter nur mit einer Putzhilfe ihren eigenen kleinen Haushalt selbst versorgen zu können. Sogar die Holzspänchen zum Feueranmachen macht sie sich selbst. Einwände ihrer Verwandten und Nachbarn, in ihrem Alter hantiere man nicht mehr mit dem Beil, wehrt sie mit dem Hinweis ab, sie könne unmöglich den lieben langen Tag untätig im Sessel verbringen. Ein Grund zur Klage für sie ist eine Verringerung des Sehvermögens, weil sie nicht mehr stricken und häkeln kann…“
Ein Jahr später feiert sie immer noch munter und lebensfroh ihren 100. Geburtstag.
Fortsetzung folgt…
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