Als kleines Kind verbrachte ich so manches Wochenende bei meinen Großeltern. Es war ein festes Ritual, daß ich meiner Oma die alte Bilderkiste und das abgegriffene Fotoalbum in die Hände drückte und sie bat, mir zu erklären, wer auf den vergilbten Fotografien zu sehen sei. In diesen Momenten blickten wir gemeinsam zurück auf die überlieferte Familiengeschichte, die sich vom Ende des 19. Jahrhunderts über den 1. Weltkrieg, die Weimarer Republik, die Jahre unter nationalsozialistischer Herrschaft und 2. Weltkrieg, die Nachkriegs- und Aufschwungjahre der 50er und 60er bis in unsere Zeit zog.

Da waren die frühen Atelier-Fotografien der Kaiserzeit, die meine Urgroßeltern, deren Familienangehörige und Freunde zeigte, die Bilder meiner Großmutter als Teenager mit Bubikopf und Spangenschuhen, der Großvater turnend auf dem Barren, die Hakenkreuzfahnen vor den jüdischen Geschäften des Ortes, die Aufnahmen der Väter auf den Schlachtfeldern im Osten und anschließender Kriegsgefangenschaft, die fünfziger u. sechziger mit Aufschwung, Hausbau, deutscher Teilung (meine Mutter floh 1958 über Berlin in den Westen) und Heirat meiner Eltern und darauf folgend die nicht enden wollende Zahl an Aufnahmen im Diaformat, die mein Vater über die vier Kinder der Familie anfertigte.

Dies alles trug sich in dem kleinen Dorf Puderbach zu, gelegen zwischen den größeren Städten Neuwied am Rhein und Altenkirchen im Westerwald, das um 1900 rund 850 und heute ungefähr 2400 Einwohner hat. Der Geburtsort meiner Mutter ist die Stadt Lößnitz im Erzgebirge, rund 20 Autominuten von der Bergbau- u. Industriestadt Aue entfernt. Hinzu kommen die Orte der zahlreichen Anverwandten der Groß- und Urgroßeltern, die sich über den Puderbacher und Altenkirchener Raum, bis ins Ruhrgebiet erstrecken.

Im oben eingefügten Menü-Verzeichnis bekommen Sie einen Überblick über die Themen, über die ich gerne berichten möchte.
Meine Familie
Von den vier Familiensträngen väterlicherseits seien hier die der Sanners und Deneus erwähnt. Zudem möchte ich über meinen Urururgroßvater Johann Simon Kuhl berichten, der im 19. Jahrhundert Dorflehrer in Muscheid war.

Puderbach in alten Aufnahmen
Dank der freundlichen Unterstützung vieler gebürtiger Puderbacher habe ich über die Jahrzehnte eine große Zahl an alten Postkarten und Fotografien zusammengetragen, die einen wunderbaren Eindruck über das frühere Dorfleben vermitteln und in mehreren Kapiteln Eingang finden.

August Sander
Der Kölner Fotograf August Sander war einer der renommiertesten Fotografen unseres Landes. Er kam 1876 in Herdorf bei Altenkirchen zur Welt und blieb seiner Heimat stets verbunden. Seine fotografische Tätigkeit führte ihn immer wieder in den Westerwald und so entstanden eine Vielzahl an Aufnahmen, die zum Teil Einzug in sein Hauptwerk „Menschen des 20. Jahrhunderts“ hielten.

Jüdische Gemeinde
Das Schicksal der jüdischen Bewohner meines Heimatortes rührt mich besonders. Über Jahrhunderte lebten sie mit ihren christlichen Nachbarn Tür an Tür in friedlicher und freundschaftlicher Koexistenz. Im 20 Jahrhundert nehmen die Feindseligkeiten zu und brechen sich mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten Bahn. Ein Teil der jüdischen Einwohner Puderbachs konnte Deutschland rechtzeitig verlassen, der andere wurde deportiert und ermordet.

1. Weltkrieg, Nationalsozialismus und 2. Weltkrieg
Kaum ein Ereignis hat meine Familie so geprägt wie der 1. und 2. Weltkrieg. Bereits der militärische Konflikt von 1914 bis 1918 kostete Millionen Soldaten und Zivilisten weltweit das Leben. Der von Nazi-Deutschland ausgehende Weltenbrand von 1939 bis 1945 war um ein Vielfaches brutaler und mörderischer. Rund 70 Millionen Opfer sind zu beklagen. Einige der Toten möchte ich beim Namen nennen und ihrem Schicksal nachgehen.
Tauchen Sie mit mir ein!
Gerne würde ich mit Ihnen eintauchen in diese Zeit, zurückblicken auf diese Jahre und Jahrzehnte gelebter Geschichte. Vielleicht hat Ihre Familie Ähnliches erlebt, möglicherweise überschneiden sich die Ereignisse, eventuell erkennen Sie Ihre eigenen Groß- oder Urgroßeltern auf den alten Fotografien.
Mein größter Wunsch wäre, daß wir über diese Webseite ins Gespräch kommen. Ihre Informationen, Anregungen und vielleicht auch eigenen Geschichten sollen hier Raum finden. Deswegen scheuen Sie sich nicht, mir eine Nachicht über die unten angegebene Mailadresse zukommen zu lassen. Auch wenn Sie Interesse an einem der hier gezeigten Bilder haben, können Sie sich gerne melden.
Dies sind meine ersten Schritte mit einer eigenen Webseite. Verzeihen Sie daher, wenn nicht alles von Anfang an perfekt ist. Mein größtes Bestreben liegt stets darin, alle Artikel, Bildbeschreibungen und Erzählungen so wahrheitsgetreu wie möglich zu recherchieren. Doch bin ich kein Geschichtswissenschaftler, sodass auch mir Fehler unterlaufen können. Über Ihre konstruktive Kritik und fachkundige Beurteilung würde ich mich sehr freuen!
Zum Schluß möge man mir nachsehen, wenn Aktualisierungen auf der Webseite, die zu Beginn des Projekts wöchentlich, ja fast täglich stattfanden, in Zukunft in größeren Zeitabständen erfolgen. Diverse Lockdowns der Corona-Krise schufen große Zeitfenster, die jetzt nicht mehr bestehen.
Zwei Jahre „Blicke zurück“
Es ist unglaublich, wie schnell die Zeit verstreicht. Im April werden es zwei Jahre, daß die Seite „Blicke zurück“ online ging. Es scheint mir nun der richtige Zeitpunkt gekommen zu sein, um ein erstes Resümee zu ziehen.
Für Ausbildung und Studium habe ich Puderbach vor über dreißig Jahren verlassen, bin somit schon länger als mein halbes Leben an anderen Orten gewesen. Dieser Blog, der ja eigentlich zurückblickt auf die Geschichte des kleinen Westerwalddorfes und seiner Bewohner, hat mich im Hier und Heute meiner alten Heimat wieder ganz nahe gebracht. Wieviele wunderbare Begegnungen und Gespräche, ja Freundschaften, sind durch das gemeinsame Interesse an den früheren Zeiten entstanden. All diesen Menschen, die mich so tatkräftig durch Geschichten, Fotos und Unterlagen unterstützt haben, gilt mein aufrichtiger Dank.
Neben den vielen positiven Stimmen, die sich für das Projekt begeistern konnten, steht jedoch auch eine kritische, die mich, da sie aus dem familiären Umfeld kam, sehr bestürzt hat. Sie hat mich gelehrt, sehr sorgsam und vorsichtig mit geliebten Erinnerungen umzugehen.
Zum Schluß möchte ich einen Ausblick auf die neuen Geschichten und Bilder geben, die in den kommenden Wochen und Monaten hier Eingang finden. Dazu zählen zwei wunderschöne Sander-Bilder, die mir bisher ältesten Schulfotos mit Lehrer Becker und Lehrer Siegel, eine Aufnahme des Kriegervereins 1867-1908 nebst der erhalten gebliebenen Vereinsfahne, alte Dorfansichten und, wie immer, Ausflüge in die Nachbarortschaften.
Ein Projekt liegt mir besonders am Herzen. Die Familie Löhr aus Reichenstein hatte am 16. April 1848 den Westerwald in Richtung USA verlassen, um dort eine neue Heimat zu finden. Nach einer mehrwöchigen Reise nach Le Havre bestieg die sechsköpfige Familie im Mai ein Passagierschiff in Richtung New Orleans. Dieses erreichte am 17. Juni 1848 amerikanischen Boden.
Ich versuche nun, Kontakt mit den Nachfahren aufzunehmen und sie zu bewegen, ihre Geschichte hier zu veröffentlichen.
Herzlichst Ihr Frank Kuhl
90 Jahre Machtergreifung
Heute vor 90 Jahren wurde Adolf Hitler durch die Unterstützung der konservativen Zentrumspartei und der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) von Reichspräsident Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. Innerhalb weniger Monate hebelt Hitler und die NSDAP die demokratischen Strukturen der Weimarer Republik aus.
Den Reichstagsbrand am 27. Februar nehmen die Machthaber zum Anlass, die Grundrechte wie freie Meinungsäußerung, Pressefreiheit und Vereins- und Versammlungsrecht durch die sogenannte „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ auszuhebeln. Sozialdemokratische und Kommunistische Politiker und Parteimitglieder werden von Angehörigen der SA und SS, die als Hilfspolizisten fungieren, verhaftet, verprügelt und umgebracht.
Trotz dieser Einschüchterung und Schikanen erzielen die linken Parteien der SPD und KPD bei den Reichstagswahlen am 5. März noch 30,6 % der Wahlstimmen. 43,9 % gehen an die NSDAP, 19,2 % an DNVP und Zentrumspartei. Am 23. März kommt der Reichstag zusammen und Hitler legt das sogenannte „Ermächtigungsgesetz“ vor, das ihm erlaubt, ohne Zustimmung des Präsidenten und der gewählten Parlamentarier, Gesetze zu erlassen. Eine Mehrheit von 444 Stimmen, darunter die der DNVP und des Zentrums, winken das Gesetz durch.
Es folgt die sogennante Gleichschaltung des öffentlichen Lebens. Gewerkschaften werden aufgelöst, alle neben der NSDAP noch existierenden Parteien verboten. Jüdische wie missliebige Beamte entfernt man aus dem Staatsdienst. Der landesweite Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April ist der Auftakt zu einer nicht enden wollenden Zahl an antijüdischen Verboten und Gesetzen, die letztlich zur Ermordung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Europas führt.
An dieser Stelle möchte ich auf zwei Fernsehdokumentationen hinweisen, die das Jahr 1933 und seine politische Entwicklung anhand von Tagebucheintragungen beleuchten. Desweiteren möchte ich das Sachbuch „Triumph der Gewalt“ von Ralf Zerback im Klett-Cotta Verlag empfehlen, daß die Jahre 1932 bis 1934 in Deutschland beleuchtet. (Beitrag vom 30.01.2023)
Links:
https://www.arte.tv/de/videos/RC-023311/berlin-1933-tagebuch-einer-grossstadt/